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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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Morgen. Mary übergab sich, wie schon am Morgen zuvor.
    Man sagt mir nach, daß ich gut pokern kann. Als Mary von der sogenannten Toilette zurückkam, nahm ich sie schwesterlich in den Arm und fragte: „Na, Mary, wann ist es denn so weit?“
    „Du weißt es?“ Ihre dunklen Kulleraugen wurden noch runder.
    „Natürlich. Du bist auch im richtigen Alter dafür.“
    „Ich bin so glücklich, daß du es jetzt auch weißt!“

    Ich rechnete schnell. „Du bist im zweiten Monat?“
    „Ich hoffe so, daß es ein Junge wird, Mitfrau Ilona“, strahlte sie mich mit ihrer Zahnlücke an. Ich lächelte verkrampft zurück.
    Es war Zeit, ein paar Dinge klarzustellen.
    „John, ich glaube, mir ist klar, warum die Ahnen uns bei unserem Autohandel nicht helfen wollen. Weil wir ein falsches Spiel spielen.
    Ich spreche von Mary. Sie bekommt ein Kind von dir. Und mit mir schläfst du zu Grillenzirpen im Urwald und erzählst beim babala-wo
    was von afrikanischer Familie. Du bist ein Schwein, John. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so verarscht gefühlt. In dieser Nacht im Urwald ... ich war wirklich bereit, mit dir neu anzufangen.
    Ehrlich ... Mit den Kindern ... sie sollten ihren Vater wiederhaben ...
    ach, vergiß es. Vergiß es für immer.“
    Ich saß im klimatisierten Geländewagen meiner - was eigentlich?
    Nebenbuhlerin? Ach ja: „Mitfrau“. John starrte schweigend auf die Stoßstange des Vordermannes. „Du bist Anfang Januar aus Deutschland zurückgekommen, um deinem kranken Bruder Moses zu helfen. Du hattest dich um die Autos zu kümmern. Und dann hattest du auch noch Zeit, um mit dieser angemalten Mary rumzumachen?
    Bestimmt hast du ihr erzählt, du machst den großen Autohandel auf. Aber dann bin ich nachgekommen. Damit hattest du nicht gerechnet. Alles wäre gutgegangen, wenn Moses und ich nicht im Urwald schlappgemacht hätten. Ich wäre zurückgeflogen, und du wärst fein raus gewesen. Dumm gelaufen, was?“ Ich kochte. Trotz Klimaanlage.
    „Du wolltest dich doch scheiden lassen“, sagte er endlich matt.
    „Warum habt ihr im Busch Geister angerufen, wenn du es gar nicht ernst gemeint hast? Ich kenne mich mit der Magie der schwarzen Götter nicht aus, John, aber ich hätte nicht übel Lust, es zu lernen.
    Ich bin sicher, du hast etwas getan, was du nicht tun durftest. Du hast nicht nur mich belogen. Du hast auch den babalawo belogen.“
    „Das Orakel kann man nicht belügen. Ich habe nichts Falsches getan. Jeder Mann in Afrika kann mehrere Frauen haben.“
    Nun fehlte nur noch, daß er von dem damals berühmten nigerianischen Sänger Fela Kuti anfing - der hatte 26 Frauen. In meinem Kopf machte sich ein Gefühl der Leere breit. Als hätte ich etwas sehr Wichtiges zu tun. Und es vergessen. Natürlich ... Der Traum in Oluwafemis Hütte ... Mein Vater! Himmel, ich mußte ja dringend in München anrufen!
    Rhoda empfing mich aufgeregt mit einem fünf Tage alten Telegramm aus Deutschland. Aufgegeben am Tag meines Traums.
    Es lautete: „Vater Herzinfarkt. Komm sofort. Mama.“
    Alles lief an mir vorbei. Wie in einem Film. Der Markt von Lagos.

    Das Menschengewirr. John, der sich unglaublich zusammenriß, möglichst viele von meinen Nairas in Geld umzuwandeln, das ich ausführen durfte. Er schacherte, redete mit Händen und Füßen.
    Noch reichte die Summe nicht; wir hatten erst 3 000 Naira gewechselt.
    Schließlich ein enges Zimmer, eine runde Frau. Sie handelte mit Tuch und Schmuck. John hatte ihr wohl erzählt, daß ich in Sorge um meinen Daddy sei. Ihre gutmütigen Augen blickten mich mütterlich an. Unter ihren vielen Wickelröcken hielt sie eine dicke Tasche mit Geld verborgen. Sie gab mir einen verhältnismäßig guten Kurs in verschiedenen Währungen. Aber mehr als 5 000 Naira wollte sie nicht tauschen. Da sie selbst öfter im Ausland Geschäfte machte, brauchte sie Devisen. Ich war ihr trotzdem dankbar. Sie hatte einen für die Haifisch-Stadt Lagos seltenen Charakter: jemand, der trotz des harten Kampfes ums tägliche Brot menschlich geblieben war.
    Vom Telegrafenamt versuchte ich noch, nach Deutschland durchzukommen - aussichtslos. Wir fuhren direkt zum Airport. Ich hatte Glück: Ich bekam den letzten freien Platz nach München. Da Marys car repair nicht weit vom Flughafen entfernt lag, blieb sogar Zeit, um meine Koffer zu holen. Aber wohin mit dem vielen nigerianischen Geld, dessen Ausfuhr verboten war? Ich setzte alles auf eine Karte, das heißt: Ich packte 10 000 Naira in einen Koffer.
    Eine Summe, für

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