Die weiße Macht
nicht im Notfall?«
»Ist der eingetreten?«
»Ja, verdammt, das ist ein Notfall! Himmel, Ignatius, alter Freund, so kenne ich dich nicht. Du hast deine Arbeit früher mit Freude getan. Du bist immer einer der Agilsten gewesen. Wie konnte es nur zu dieser Veränderung kommen?«
»Es kann an der Organisation liegen. Ich habe das Gefühl, daß manchmal keiner dem anderen traut.«
»Dann durchbrich es.«
»Und wie?«
»Mit uns!« Ich klopfte auf das Leder des Sessels. »Monsignore Bentini hat sich also zurückgezogen, sagst du?«
»Ja.«
»Mich wundert es, daß er es zu einer so wichtigen Zeit tat. Seine Exerzitien hätten warten können. Er war doch eingeweiht, er wußte, wer auf den Weg geschickt wurde.«
»Ja, er hat es eingeleitet.«
»Dann könnte es doch sein, daß er sich bewußt zurückgezogen hat, um sich aus gewissen Dingen herauszuhalten.«
Der Pater schaute mich groß an. »Was meinst du denn damit?«
»Überhaupt nichts Konkretes, mein Freund, aber wir sollten unbedingt versuchen, mit ihm zu sprechen.«
Father Ignatius verdrehte die Augen, seufzte und nickte dann. »Gut, dann wollen wir es versuchen. Garantieren kann ich für nichts.«
»Das brauchst du auch nicht«, sagte ich und flitzte förmlich aus dem Sessel hoch.
***
Die Gärten des Vatikans waren groß, an vielen Stellen schattig und stets von einem Geheimnis umgeben, denn nur wenigen Menschen war es gestattet, sie zu besuchen.
Denn hier war der Kontakt zu den Personen ganz oben in der Hierarchie möglich. Hier wurden die Gespräche geführt, die niemand sonst hören sollte. Hier wurde Kirchengeschichte und auch Politik gemacht, oft bewundert von der prächtigen Sonne Italiens.
Eine eigene Wachmannschaft, die Schweizer Garde, sorgte dafür, daß das Herz des Vatikans von Touristen unbehelligt blieb. Die zahlreichen Souvenierverkäufer hielten sich außerhalb dieser Mauern auf.
Im Garten herrschte genau die Stille, die sich mancher Mensch wünschte und nie bekam. Wer sprach, wer flüsterte, und wer ging, der setzte seine Schritte nur vorsichtig auf den weißen Kies der Wege. An schattigen Stellen standen Bänke zum Ausruhen, zum Nachdenken und Relaxen, und auf einer solchen Bank hatte auch Monsignore Bentini seinen Platz gefunden. Er hatte einfach allein sein müssen, um nachdenken zu können, denn die Probleme, die vor der Weißen Macht lagen, türmten sich wie gewaltige Gewitterwolken über seinem Kopf.
Mit etwas fahrigen Bewegungen strich er über seine Soutane. Auf der Stirn bildete sich eine Falte, als er über gewisse Tatsachen nachgrübelte, die ihm einfach nicht passen konnten.
Es gab Probleme.
Die Weiße Macht hatte zwei gute Männer verloren. Bentini glaubte einfach nicht daran, daß sie noch zu retten waren. Dazu war die andere Seite einfach zu stark gewesen.
Er selbst hatte sich bewußt zurückgezogen, um die Ermittlungen durch seine eigenen Vorstellungen nicht zu behindern, denn er wußte längst, daß die ausgeschickten Agenten auf Probleme gestoßen waren, die er bisher weit zurückgeschoben hatte. Er hatte daran nicht mehr denken wollen, doch er hätte wissen müssen, daß sie ihn irgendwann einmal einholten. Ausgerechnet jetzt war es geschehen und zudem mit einer Intensität, die er nie vermutet hätte. Er war vor sich und den Problemen weggelaufen und hatte sich hier im großen Garten des Vatikans verkrochen, wo er nicht gestört werden wollte. Aber die Probleme blieben.
Und sein Schweiß auch. Je mehr er über die Dinge nachdachte, um so schwieriger stellten sie sich ihm dar. Wahrscheinlich war es zu spät für einen Ausweg, denn er konnte sich vorstellen, daß der Plan der Gegenseite längst angelaufen war.
Drei Agenten hatte er losgeschickt. Zwei von ihnen waren erwischt worden. Es fehlte noch der dritte, eigentlich der beste Mann, dieser Lorenzo Amber.
Der hochgewachsene hagere Mann mit den grauschwarzen Haaren glaubte allerdings nicht daran, daß es Amber geschafft hatte. Dazu war die andere Seite zu stark. Sie würde mit Amber ein Spiel treiben und eigentlich nur, um ihn zu treffen.
Das wäre dann wie der berühmte Stich ins Herz gewesen. Ein Bumerang, der auch mit dem Begriff Sünde umschrieben werden konnte, die er sich damals hatte zuschulden kommen lassen.
Keiner außer ihm wußte davon. Nicht einmal seine engsten Freunde hatte er eingeweiht, die Vorgesetzten schon gar nicht. Das wäre ihm nicht verziehen worden, nicht einem Mann, der mitgeholfen hatte, die Weiße Macht aufzubauen, der mit an der
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