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Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wittig
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zur Wirksamkeit der Impfung
    Wir sind der Verzerrung der scheinbar objektiven wissenschaftlichen Datenlage, die von Fachleuten sehr ernst genommen wird, schon begegnet: Die Experten sagen publication bias – also »Verzerrung durch die Veröffentlichungspraxis« – bei von der Industrie finanzierten Studien. Hersteller von Pharmazeutika können viele Studien finanzieren und sich dann die besten heraussuchen. Die mit den weniger günstigen Ergebnissen lassen sie unter den Tisch fallen. Bei den Grippestudien ist das ganz besonders leicht. Denn die Grippeimpfstoffe sind jedes Jahr von sehr unterschiedlicher Qualität. Da die Hersteller mit der Produktion Monate vor der Grippewelle anfangen müssen, treffen die Impfstoffe die im Winter tatsächlich zirkulierenden Grippeviren nur zum Teil. Wenn sich die Hersteller bei der Veröffentlichung der Studien auf die Jahre konzentrieren, in denen die Impfstoffe zufällig besonders gut gepasst haben, können sie den Eindruck der durchschnittlichen Wirksamkeit stark verbessern.
    Die Metaanalyse von Cochrane, die auf 36 Einzelstudien beruht, bestätigt übrigens auch die Daten, die ich vom Statistischen Bundesamt bekommen habe: Es konnte kein Effekt der Grippeimpfung auf schwere Komplikationen oder Krankenhauseinweisungen gefunden werden.
    Und noch eine Kleinigkeit verdient hier eine Erwähnung: Dr. Tom Jefferson, der Hauptautor der Metaanalyse zur Wirksamkeit der Grippeimpfung, 52 Leiter der Cochrane-Gruppe für akute Infektionen des oberen Atmungstraktes in Rom, erklärt, gerade für Menschen im Alter von über 65 Jahren, für die die WHO die Grippeimpfung besonders empfiehlt (die deutsche StIKO empfiehlt die Impfung aus unerfindlichen Gründen schon für Menschen ab 60), fand sich nur eine Studie zur Wirksamkeit. Keine Datengrundlage, auf der sich eine wissenschaftliche Aussage treffen ließe. Unter Fachleuten ist lange bekannt, dass die Immunantwort auf Impfungen im Alter abnimmt. Die ohnehin schwache Wirkung dieser vorbeugenden Maßnahme ist gerade bei der Gruppe, für die sie besonders empfohlen wird, noch schwächer als im Schnitt.
    Jetzt haben Sie sicher genug von dem Thema Grippe. Wir kommen später noch auf die ebenfalls weitgehend wirkungslosen Antigrippemittel wie Tamiflu zu sprechen. Mittel, mit denen im Schweinegrippen-Panikjahr 2009 Milliardenumsätze generiert wurden. Noch ein Allerletztes hier zu diesem Thema: Die Impfung gegen die Schweinegrippe, die im Jahr 2009 in Deutschland die schreckliche Zahl von 252 Todesopfer gefordert hatte, ist mittlerweile zum festen Bestandteil der Impfung gegen die normale saisonale Grippe geworden. Na, da sind wir doch beruhigt!

Vorsorge? Überdiagnose!
    Vorsorge – das hatten wir schon gesehen – bietet den bestechenden Vorteil, im Gesundheitssystem auch mit Menschen tüchtig Geld verdienen zu können, die vollkommen gesund sind. Vollkommen gesund? Na ja, es könnte natürlich sein, dass die Gesunden nur scheinbar gesund sind, in Wirklichkeit aber eine Krankheit im Frühstadium haben, die noch keine Symptome zeigt. In diesem Frühstadium – so die Argumentation – lasse sich die Krankheit besser behandeln, wodurch die Chance, wieder wirklich zu gesunden, steige. Das hört sich überzeugend an.
    Fast jeder denkt dabei sofort auch an Krebs. Natürlich: Frühstadium, bessere Chancen … Aber gibt es eigentlich belastbare Daten, die das beweisen? Könnte es nicht auch ganz anders sein: Eine Krankheit (auch Krebs) hat die Gefährlichkeit, die sie nun einmal hat. Vielleicht habe ich die gleichen Chancen, sie zu besiegen, auch wenn ich die Krankheit erst an ihren Symptomen erkenne, wenn sie also spürbar geworden ist. Mehr noch: Birgt Vorsorge vielleicht das Risiko, Krankheiten im Frühstadium zu erkennen und zu behandeln, die in meinem Leben nicht über dieses Frühstadium hinausgekommen wären? Besteht das Risiko, an eventuell unnötigen Behandlungen Schaden zu nehmen? Oder einfach nur früher von dieser Krankheit zu wissen, mich länger mit der Behandlung abquälen, dann aber doch sterben zu müssen? Und zwar zum selben Zeitpunkt, an dem ich auch hätte sterben müssen, wenn ich die Krankheit erst deutlich später an ihren Symptomen erkannt hätte? Denkbar, oder? Also, wer überprüft die Effektivität der Vorsorge?
    Eine Gruppe des Cochrane-Netzwerks in Kopenhagen, die sich »Cochrane Effective Practice and Organisation of Care Group« nennt, hat das getan. Die Wissenschaftler dort interessieren sich für die Effektivität

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