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Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wittig
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PET. Mehr Laboruntersuchungen von Blut, Urin oder Gewebeproben. Mehr Besuche von den Medizinern und im Ernstfall auch mehr Operationen. Die Teilnehmer der zwei verschiedenen Studienarme wüssten nach einem Tag, in welchem der Arme sie gelandet sind. Die Erwartungshaltung bei »Hier wird alles Menschenmögliche für mich getan« unterscheidet sich doch deutlich von der Einschätzung »Ich bekomme hier nur Medizin der zweiten Klasse«. Der Placeboeffekt würde kräftig in das Ergebnis der Studie hineinpfuschen. Dennoch gibt es eine große Studie, die uns zeigt, wie sinnvoll Maximalmedizin am Lebensende ist. Wie viel profitiere ich, wenn die Mediziner in meinen letzten Wochen noch den großen Aufriss mit mir veranstalten? Ist das medizinischer Aktionismus ohne Benefit für mich? Oder lebe ich länger und besser, sodass sich der Aufwand lohnt?
Was bringt Maximalmedizin am Lebensende?
    Es ist eine große amerikanische Studie, 71 die uns hier tatsächlich wissenschaftlich aussagekräftige Daten liefert. Das Ziel dieser Studie war, die Auswirkungen der regional sehr unterschiedlichen Versorgung von Patienten in den einzelnen Staaten der USA zu untersuchen. Überlebten die Kranken in den Kliniken, wo aufwendig behandelt wurde, häufiger? War der medizinische Zustand dieser »High-End-Patienten« besser? Waren sie zufriedener mit der Behandlung als die Patienten, die eine Grundversorgung bekamen? Diese drei Fragen sollten geklärt werden. Dabei bekamen die Patienten in den fleißigsten Kliniken im Schnitt 60 Prozent mehr Versorgung als ihre Landsleute in den medizinisch weniger aufgerüsteten Häusern. Die Daten wurden über drei Jahre erhoben (1993–1995). 306 Kliniken lieferten die Informationen zu insgesamt etwa 950 000 Patienten.
    Bei dieser Studie wurde nicht gezielt die Medizin am Lebensende untersucht. Die drei Krankheitsbilder, um die es ging, waren Herzinfarkt, Hüftfraktur und Darmkrebs. Doch sollte sich bei diesen drei gravierenden Erkrankungen zeigen, dass ein höherer Aufwand im Krankenhaus auch mit einem größeren medizinischen Erfolg und einer größeren Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden ist, dann wäre es naheliegend, dass dieser Zusammenhang auch bei der Medizin am Lebensende gilt. Was meinen Sie: Wie groß waren die positiven Auswirkungen des medizinischen Mehraufwands? Immerhin wurden in den Häusern, die die aufwendigste Medizin betrieben, fast doppelt so viele Dollar ausgegeben wie in den Krankenhäusern mit der schlichtesten Medizin.
    Das Ergebnis dieser Studie, die aufgrund der hohen Zahl an Patienten eine enorme statistische Aussagekraft hat, stellt der »Wir tun alles was möglich-ist«-Medizin ein vernichtendes Urteil aus. Das Risiko zu versterben nahm bei allen drei Erkrankungen in dem Maße zu, wie der medizinische Aufwand stieg. Ist das nicht fürchterlich entlarvend? Die Mediziner in den »Tophäusern« signalisieren sich und ihren Patienten: Schau mal, was wir hier alles auffahren. Alles für dich. Nirgendwo bekommst du mehr Medizin als bei uns. Und der Effekt ist, dass ihre Patienten mit größerer Wahrscheinlichkeit sterben als in den Häusern mit der Grundversorgung. Die Patientenzufriedenheit übrigens zeigte keine Korrelation mit dem medizinischen Aufwand. Das heißt: Die Basisversorgung ist rational und erreicht schon das maximale Resultat. Mit der Strategie, bloß nichts unversucht zu lassen, schießt die Medizin über ihr Ziel hinaus.
Viel hilft nicht viel – viel hilft weniger
    Diese große Studie legt nahe, dass wir eine vollkommen verzerrte Wahrnehmung haben, was den Zusammenhang von medizinischem Aufwand und medizinischem Erfolg anbelangt. Wir glauben, mehr Hightech ist besser. Mehr Diagnoseaufwand wird uns schon die richtigen Informationen geben. Mehr Behandlung wird mehr Erfolg zeitigen. Aber das stimmt nicht. Es ist sogar das Gegenteil der Fall. Ich sehe keinen Grund, warum das ausgerechnet am Lebensende anders sein sollte. Das war ja die Frage, der wir nachgehen wollten: Was bringt Maximalmedizin am Lebensende? »Nichts unversucht lassen« birgt die große Gefahr, sterbenden Menschen in ihren letzten Wochen und Tagen vor allem eines zu bereiten: Stress. Stress, der in dieser Situation besonders bitter und überflüssig ist.
    Wissenschaftliche Studien mit möglichst großen Fallzahlen liefern wissenschaftliche Argumente. Das ist vor allem wichtig, wenn man mit Fachleuten streitet. Dann sind die Daten von 950 000 Kranken ein gutes Argument. Wenn man die menschliche

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