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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Windstoß an der Karte zerrte und ihn selbst fast vom Randstein auf die Straße wehte. Er rollte die Karte zusammen und überquerte die Straße zum Marktplatz.
    Ein Mädchen, vielleicht so alt wie Serai, die Schwester von Pattera, schlich um einen blauen Wagen herum, der gewebte Decken ausstellte, und blickte immer wieder über ihre Schulter. Sie drehte sich um und schluckte, als sie die weiße Tunika sah. Noch bevor Cerryl ein Wort sagen konnte, duckte sie sich hinter den Wagen.
    »Eine Decke, junger Ser? Eine feine weiße Decke?«
    Cerryl schüttelte den Kopf und ging mit der gerollten Karte in der Hand weiter über den Marktplatz. Fast wäre er an dem Wagen, wo ein schmächtiger Mann das Geflügel grillte, stehen geblieben, aber dann dachte er an seine ohnehin schon schmale Börse und ging weiter. Zu dumm, dass er sein Silbergeld bei Tellis zurückgelassen hatte. Ab und zu musste Cerryl daran denken und er fragte sich, ob er wohl je wieder so viele Münzen auf einmal sehen würde; das Amulett jedoch fehlte ihm mehr.
    Kesrik hätte ihn vermutlich für dumm erklärt, weil er sich nicht um das Silber bemühte, aber Cerryl konnte nichts tun. Die Gilde hatte Tellis mitteilen lassen, dass alles, was Cerryl besessen hatte, nun dem Schreiber gehörte. Er konnte nicht einfach in Tellis’ Werkstatt auftauchen und seine Silberstücke zurückverlangen.
    Auf der anderen Seite des Marktplatzes angekommen, überquerte Cerryl die Ostseite der Straße und ging weiter nach Norden zu den Juwelieren. Wegen des Windes waren alle Türen geschlossen, nur die Läden standen offen – damit zeigten die Gold- und Silberschmiede, dass sie geöffnet hatten und auf Kundschaft warteten.
    Cerryl blieb vor der Werkstatt eines Goldschmieds stehen, deren grüne Fensterläden golden verziert waren, und warf einen Blick in die Karte. Damit der Wind die Karte nicht noch mehr zerfledderte, stellte er sich nahe an die weiße Wand. Die Hauptkanäle schienen hier weiter entfernt von der Hauptstraße zu verlaufen, nördlich des Marktplatzes.
    Wieder zauste ein kalter Windstoß sein Haar. Als der Wind nachließ, vertiefte sich Cerryl ein letztes Mal in die Karte und hielt sich anschließend Richtung Norden. Bei der ersten Seitenstraße bog er nach Osten ab, schlug in etwa die Richtung zu Nivor, dem Apotheker, ein und suchte nach dem schweren Bronzegitter, das den Zugang zum Hauptkanal markierte.
    Das Gitter schloss unmittelbar an die Wand einer Walkerwerkstatt an. Cerryls Augen – und Sinne – erkannten sofort das Chaos, das in der großen Sperrvorrichtung aus Weißbronze loderte, die das mindestens zwei Ellen lange und genauso breite Gitter sicherte.
    Mithilfe seiner Sinne konnte er eine schmale Treppe aus Ziegeln ausmachen, die hinab in die Dunkelheit führte. Cerryl fühlte auch, dass er – wieder einmal – durch ein Glas beobachtet wurde.
    Der Wind wurde stärker und blies nun stetig; etwas Feuchtes fiel Cerryl in den Nacken. Er fuhr herum und sah nach oben. Die Wolken hatten sich dicker aufgeblasen und vereinzelt schwebten weiße Flocken auf sein Gesicht hernieder. Cerryl fühlte die heranziehenden Kopfschmerzen, die immer mit Regen oder Schnee einhergingen.
    Cerryl knöpfte die Jacke zu und machte sich auf den Weg zurück zum Turm. Wer verfolgte ihn wohl im Glas – und warum?

 
LXI
     
    C erryl stieg langsam zu Myrals Gemach hinauf. Trotz der zwei Wandlampen war es düster im Turm. Schneeregen hämmerte gegen die geschlossenen Fenster und die Läden klapperten. Ein kalter Luftzug wehte um Cerryls Beine, bis er die Tür zum Treppenabsatz geschlossen hatte. In seinem Kopf pochte es leicht, doch das war immer so bei Regen.
    »Aaah … ein warmer Wintertag in Fairhaven.« Myral hatte sich in eine weiße Wolldecke gewickelt und blieb am Tisch sitzen, als Cerryl eintrat. Er zeigte auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches.
    Cerryl setzte sich.
    »Wie findest du die Bücher?«
    »Ich habe sie gelesen, aber ich bin sicher, ich habe nicht alles verstanden.« Cerryl hielt inne. »Ganz bestimmt nicht.«
    »Ich selbst bin ja nicht einmal sicher, ob ich alles verstanden habe, und ich habe schließlich eines davon geschrieben.« Myral führte einen dampfenden Becher zum Mund und trank einen Schluck. »Man hat dich früher zum Abfalldienst abgeordnet als die meisten Schüler. Weißt du, warum?«
    »Nein, Ser … vielleicht weil ich ein Schreiberlehrling war?« Der Luftzug, der durch die Ritzen in den Läden hereinströmte, ließ Cerryls Beine zu

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