Die Weiße Ordnung
Kopf auf den runden Tisch, wo Lyasa saß, und Cerryl folgte ihm.
»Ihr seid also doch noch hungrig geworden.« Die schwarzhaarige junge Frau sah auf, als sich die beiden setzten.
»Für Zitronenlamm?« Faltar brach sich ein Stück Brot ab und nahm einen Schluck Dünnbier. »Dafür soll ich mich beeilen?«
»Dann probier mal Neruada.« Lyasa lächelte.
»Neruada?«, fragte Cerryl.
»Marinierter Ziegenmagen, gefüllt mit Kräutern und Grünzeug.«
Faltar starrte sie gespielt entsetzt an. »Zitronenlamm ist schon schlimm genug.«
Cerryl lachte.
»Das ist gar nicht lustig«, protestierte Faltar, der mühsam das Lachen unterdrückte.
Lyasa versuchte, ernsthaft dreinzublicken. »Ist der arme Magierschüler so sauer, dass er die zusätzliche Säure eines zarten Lamms nicht auch noch ertragen kann?«
Faltar verschluckte sich, er hustete und würgte heftig, und dann kamen Brotbrösel aus seinem Mund geflogen.
Cerryl grinste nur und duckte sich.
Nachdem sich Faltar wieder gefangen hatte, trank er einen Schluck Bier und sagte zu Lyasa: »Ich werde niemals wieder ein böses Wort über Lamm sagen. Niemals.« Er hielt inne. »So lange, bis es wieder auf dem Speiseplan steht.«
»Es könnte auch altes Hammelfleisch sein.« Lyasa schüttelte den Kopf.
Cerryl nahm einen ordentlichen Bissen von dem Lamm, wich jedoch dabei absichtlich Faltars Blick aus. Er wollte verhindern, dass er sich so verschluckte wie sein Mitschüler.
»So … dann beginnst du also jetzt den Kanaldienst?« Lyasa sah auf ihren leeren Teller. »Ich hatte Hunger.«
»Interessant formuliert.« Faltar amüsierte sich offensichtlich darüber.
Lyasa wurde rot. »Du bist …«
»Schwierig.«
Cerryl beeilte sich hinterzuschlucken.
»Allerdings. Und das weißt du auch. Warte nur, bis du hinunter musst, Faltar.«
»Der Schreiberlehrling wird sich die weißen Sachen ganz schmutzig machen …« Bealtur, der mit Heralt am Tisch saß, gab sich keine Mühe, leise zu sprechen. Der schüchterne Heralt aß weiter, ohne ein Wort dazu zu sagen.
»Lass ihn reden«, sagte Lyasa ruhig. »Er versteht nichts.«
Cerryl auch nicht, doch das behielt er lieber für sich. Er brach sich noch ein Stück Brot ab.
»Musst du noch zu Esaak?«, fragte Faltar.
»Ja. Ich muss weiterhin Mathematik lernen, auch wenn ich mit Myral arbeite.« Cerryl schnitt eine Grimasse.
»Zahlen, Kanäle und Unrat … Zahlen, Kanäle und Unrat …«, sang Faltar leise und grinste dabei breit.
»Genug jetzt.« Doch auch Lyasa konnte sich das Grinsen nicht verbeißen.
Genau wie Cerryl, obwohl er unablässig an die Kloake denken musste.
LX
E in schmaler Küferwagen, beladen mit drei großen Fässern, rollte in weniger als drei Ellen Entfernung an Cerryl vorbei, der mit seiner dicken weißen Lederjacke auf der Westseite der Hauptstraße stand. Der Kutscher schnalzte mit den Zügeln und vermied es, Cerryl anzusehen; das Pferd schnaubte heftig.
Nachdem der Wagen vorbeigefahren war, drehte Cerryl stirnrunzelnd die Karte herum. Er bemühte sich, sie vor dem Wind zu schützen, und studierte das Flechtwerk aus schwarzen, roten und blauen Linien. Die zwei Hauptkanäle, in die alle Seitenkanäle mündeten, folgten der Richtung der Hauptstraße, jeder jeweils entlang einer Gasse, die etwa hundert Ellen entfernt parallel zur Hauptstraße verlief. Die Karte zeigte Kanäle in drei Größen und nach dem, was Cerryl herauslesen konnte, gab es große begehbare Tunnel, kleinere Tunnel und schließlich noch überdachte Gräben, mit Ziegelsteinen ausgemauert.
Cerryl musste lachen, als er von der Karte auf den Gehsteig aus Granit blickte und dann zu den großen Häusern auf der Ostseite der breiten Straße, die direkt über den großen Kanaltunneln hockten. Dann nickte er. Natürlich bekamen diejenigen mit dem meisten Geld auch die beste Abfallentsorgung und die breitesten Straßen, ihre Häuser standen in nächster Nähe zum Markt, zu den Handwerkern und sogar zur Getreidebörse.
Cerryl ging weiter nach Norden zum Marktplatz, wo ihm beim Geruch von gegrilltem Geflügel, den der Mittagswind um seine Nase wehte, das Wasser im Munde zusammenlief. Der Wind deutete jedoch auch auf baldigen Regen hin. Über Cerryl zogen bereits kleine, dunkelgraue Wolken gen Süden.
»… Gewürze für den Winter … Gewürze für den Spätherbst …«
»… das beste Wurzelgemüse in ganz Candar … Rüben, Bete … kauft euer Wurzelgemüse hier …«
»Körbe, Körbe zur Lagerung …«
Cerryl taumelte, als ein
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