Die Weiße Ordnung
war, der ausgefochten werden musste. »Wenn Ihr es für besser erachtet. Ich muss den Wasserspiegel in zwei Seitenkanälen überprüfen. Es wird wahrscheinlich nicht lange dauern, aber ich wollte Euch nicht unnötig hier festhalten …«
Jyantyl lächelte, ganz klar ein Ausdruck der Erleichterung. »Nicht so lange wie sonst, Ser. Wohin?«
»Wir können die Lagerhausstraße südlich von hier nehmen und dann nach dem ersten Kanal nach Osten Richtung Hauptstraße gehen. Wir müssen zwar die Hauptstraße überqueren, um den zweiten Seitenkanal zu prüfen, aber es ist nicht sehr weit.«
»Wie Ihr meint, Ser.« Jyantyl nickte und Ullan und Dientyr stimmten mit den anderen Lanzenreitern zu, die Cerryl nicht kannte; fast täglich wechselten die Lanzenreiter, die mit Jyantyl auf der Straße blieben, Ullan und Dientyr hingegen begleiteten Cerryl jeden Tag in die Tiefe hinunter. Er fragte sich, für welche Tat die beiden wohl büßen mussten, doch dies war sicher nicht der richtige Ort und Zeitpunkt, um Jyantyl danach zu fragen.
Ullans Lanze schleifte eine Zeit lang immer wieder auf der Straße entlang, so lange bis Jyantyl einen strafenden Blick über die Schulter warf. Immer war es Ullans Lanze, niemals die von Dientyr.
Cerryl wäre beinahe an dem ersten Gitter vorbeigelaufen, das er gesucht hatte, denn es befand sich in der Nische einer Stallmauer. Die Stelle sah aus, als hätte man die Stallwand bis an den Rand des Abwasserkanals erweitert.
Cerryl kniete nieder und drehte den Bronzeschlüssel um. Der Geruch des Stallmists hinter ihm und die Fäulnis, die durch das Gitter heraufstieg, belästigten seine Nase aufs Gröbste. Er ließ sich von den Gerüchen jedoch nicht beirren und lockerte das Chaos um das Schloss, das in einer Ordnungs-Hülle ruhte, und öffnete den Riegel. Er hob das schwere Gitter hoch und befestigte es an der Mauer, bevor er die Steinstufen hinunterstieg.
Keine drei Schritte hatte er auf der Treppe hinab zum düsteren Seitentunnel zurückgelegt, da spürte er schon starke Chaos-Rückstände – überall. Die Stufen blitzten sauber, auch die Fußwege und die glatten Ziegelwände.
Am Fuß der Treppe erinnerte sich Cerryl an seinen Vorwand, um hier herabzusteigen. Er drehte sich also dem Graben zu, um den Wasserspiegel zu prüfen. Gut zwei Spann unter dem Fußweg floss die Brühe ruhig dahin.
Mit einem Nicken stieg er die Treppe wieder hinauf, er legte das Gitter zurück an seinen Platz und verschloss es sorgfältig, wobei er sicherstellte, dass das Chaos das Schloss sicher schützte. Cerryl hatte zwar nur kurze Zeit im Untergrund verbracht, doch der Wind war inzwischen erheblich stärker geworden und auch kühler; aber die Kühle war ihm sehr willkommen nach der Hitze, die die heiße Frühjahrssonne in den letzten Tagen mit sich gebracht hatte.
»Einen noch«, sagte er zu Jyantyl. »Über die Hauptstraße und dann zwei Häuserblocks östlich von hier.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Es tut mir Leid.«
»Macht Euch keine Gedanken, Ser. Die paar zusätzlichen Schritte werden uns schon nicht schaden.« Jyantyl schüttelte den Kopf.
Zwei Frauen mit Wäschekörben auf den Köpfen erblickten Cerryl und die Lanzenreiter und schon stürzten sie in eine Seitengasse.
Cerryl konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen – erstaunlich, dass ein Waisenknabe und Mühlenjunge solche Angst hervorrufen konnte, nur weil er eine weiße Tunika mit roten Zierstreifen trug. War das die Macht? Oder verhielten sich die Menschen genauso, wenn eine Kutsche mit jemandem wie Muneat vorbeifuhr?
In jede Seitenstraße warf Cerryl einen Blick, als sie die Hauptstraße überquerten. Ihm fiel auf, dass er diese Straßen noch niemals erkundet hatte, obwohl der Stadtteil nicht sehr weit von Tellis’ Werkstatt entfernt lag. Wie viele solcher Straßen und Plätze gab es wohl noch? So nah und doch unbekannt?
Die Werkstätten schienen nur Webern und Korbmachern zu gehören, außerdem hingen Stoffe in allen erdenklichen Farbtönen in den Fenstern. Im dritten Fenster wurde ein Ballen hellgrüner Stoff ausgestellt und irgendwie erinnerte Cerryl das an Leyladin.
Er presste die Lippen aufeinander und ging weiter. Das gesuchte Gitter befand sich in der zweiten Seitenstraße nach der Straße der Weber, keine fünfzig Ellen Richtung Süden.
Der zweite Tunnel glich stark dem ersten: äußerlich wirkte er fast makellos, nur die dicke weiße Staubschicht und der Chaos-Gestank störten. Cerryl folgte dem Fußweg fast hundert Ellen
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