Die Weiße Ordnung
bist immer noch hier draußen, Erhana?«
»Ja, Mutter.« Erhana stand auf und klammerte sich an ihrem Grammatikbuch fest. »Ich komme.«
»Das wird das Beste sein. Morgen machen wir die ersten Pfirsiche ein.« Dyella warf einen Blick zu Cerryl. »Und bei dir geht’s wieder ans Holzfällen, Cerryl.«
»Zum nächsten Hügel«, grollte Dylerts Stimme aus der Küche.
»Ja, Ser«, sagte Cerryl und trat langsam zu den Stufen. »Ich werde da sein.«
»Bis morgen«, rief Dylert noch schnell, bevor Dyella die Tür hinter Erhana schloss.
Cerryls Stiefel polterten auf den Bohlen der Veranda, er war zu müde, um sie ordentlich zu heben. Langsam ging er die Stufen hinunter und in seine Kammer. Seine Beine und der Rücken taten noch immer weh. Er sah zurück zum Haus, das wie ein schwarzer Schatten in die Nacht ragte. Was war seinem Onkel und der Tante zugestoßen? Waren sie an der Pest gestorben? Am Bauchfluss? Hatten sie einen Unfall gehabt?
Der Chor der Insekten stimmte immer wieder neue Melodien an, als Cerryl zu seiner Kammer ging.
Warum wollte Dylert es ihm nicht sagen? Wie konnte er es herausfinden?
Er stolperte fast, als er die Tür zu seiner kleinen Kammer öffnete. Das Spähglas? Er konnte es probieren.
Er schloss Tür und Fenster, holte den Silberspiegel aus seinem Versteck und legte ihn auf den Hocker. Dann setzte er sich auf die Bettkante und konzentrierte sich, er versuchte sich Syodors wettergegerbtes Gesicht vorzustellen, seine starken Hände und die lederne Augenklappe, Nalls graues Haar und die fragenden Augen.
Die Nebel lichteten sich … enthüllten schließlich eine ausgebrannte Kate. Die Dachbalken waren schwarz und die Lehmziegel geborsten. Die Fenster, umrahmt von schwarzen Rauchkreisen, gafften wie die Augenhöhlen eines Totenkopfes aus dem Spiegel. Schwarze Linien versengten das Gras um die Mauern.
»Nein …« Cerryl presste die Lippen aufeinander und wehrte die Tränen ab, die in seine Augen stiegen. »Nein.«
Starr saß er auf der Bettkante, um ihn herum nur völlige Dunkelheit, der Spiegel vor ihm war leer.
XIX
D er Graue und der Braune arbeiteten sich langsam vor auf dem Hügel, zogen die Stämme am Lastenzuggeschirr zur Wagenrampe. Rinfur lenkte die mächtigen Rösser, seine Augen beobachten gleichzeitig Pferde, Stämme und die Straße vor ihm.
Dylert, Viental und Brental warteten, bis der letzte Stamm auf die Rampe gezogen war. Dann rollten sie das Holz auf die Ladefläche.
Während die vier Männer die gefällten Stämme auf den Wagen verluden, zersägte Cerryl die kürzeren Äste der Stechkiefer in ellenlanges Koch- und Feuerholz und schichtete die Scheite anschließend sorgfältig auf.
Trotz der Lederhandschuhe, die er von Dylert bekommen hatte, wucherten Blasen auf Cerryls Händen und seine Finger schmerzten, genauso wie Arme, Beine und Rücken. Er sägte weiter, hielt nur inne, um sich den Schweiß wegzuwischen, der dauernd in seine Augen zu laufen drohte. Sein Hemd war völlig durchnässt und seine Füße fühlten sich an, als badeten sie in den schweren Stiefeln im Schweiß.
»Cerryl, Junge«, rief Dylert, als Viental und Brental den letzten Stamm auf dem Wagen festkeilten, »bring die Säge an ihren Platz an der Seite des Wagens und gönn dir eine Pause.«
»Ja, Ser.«
»Sieht so aus, als bliebe es die nächsten Tage trocken. Du und Rinfur, ihr könnt morgen noch einmal heraufkommen und das Feuerholz auf den kleinen Wagen laden.« Dylert grinste den Fuhrmann an. »Ein bisschen Heben wird dir nicht schaden, Rinfur.«
»So lange Cerryl die meiste Arbeit macht.« Rinfur grinste zurück, während er die zwei Pferde aus dem Lastenzuggeschirr befreite, um sie dann wieder im großen Gespann anzuschirren, das den Langholzwagen hinunter zur Mühle bringen sollte.
Brental hob das Lastengeschirr auf und räumte es an seinen Platz unter dem Kutschbock.
Dylert sah Cerryl an, der gerade die Handsäge verstaute. »Man braucht schon mehr als nur einen starken Rücken.«
Der braunhaarige Junge nickte.
»Muss die Bäume ausmessen.« Dylert wischte sich in der Spätnachmittagssonne über die schweißnasse Stirn, während Rinfur die zwei Rösser umspannte. »Jedes Jahr das Gleiche. Fällt man sie zu früh, verliert man viel Geld. Wartet man zu lange, wird das Kernholz spröde und hart. Du zerbrichst dir nur die Sägeblätter und hast hinterher nichts als Feuerholz und Anzündspäne. Wir haben das größte Sägeblatt in diesem Teil Candars, aber Holz mit einem Durchmesser von
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