Die Weiße Ordnung
ist nicht das Problem.«
Cerryl sagte nichts und wartete ab.
»Dieser Bursche – der, den der Weiße Magier neulich in die Finger bekam … So etwas – nun, etwas Ähnliches ist auch deinem Vater widerfahren. Das weißt du, oder?« Dylerts Blick wanderte den Hügel hinunter zu dem Fleck am Straßenrand, wo die Steine und der Lehm noch immer schwarz waren.
»Ich weiß, dass etwas geschehen ist. Aber Onkel Syodor und Tante Nall … sie haben mir nicht viel davon erzählt.«
»Syodor … er war … er ist nicht der Typ, der über so etwas spricht.« Dylert strich sich erneut über den Bart.
Der Regen prasselte nun schwer auf das Verandadach, ein leichter Windstoß zerzauste Cerryls Haar. Das Wasser tropfte von der Traufe.
»Aber ganz gleich, ob er nun davon gesprochen hat oder nicht, Tatsache ist, dass es für einen Jungen mit so einem Vater gefährlich ist, hier zu bleiben.«
»Haben die Weißen Magier auch Onkel Syodor umgebracht?«, fragte Cerryl vorsichtig. »Freiwillig würdet Ihr mir doch niemals mehr erzählen, als dass er und Nall tot sind.«
»Du bist noch schlauer, als ich bisher geglaubt habe, Bursche.« Dylert runzelte die Stirn. »Sie starben anscheinend im Feuer, das hat Wreasohn uns erzählt. Warum das Feuer ausbrach, daran wage ich nicht einmal zu denken. Und du solltest es auch nicht tun.«
Cerryl nickte. Aber warum? Was hatten sie getan, das die Weißen Magier so erzürnte? Wenn die Magier wüssten, dass es Cerryl gab, wären sie dann nicht schon lange gekommen?
»Eine Wagenladung Weißeiche muss übermorgen nach Fairhaven gebracht werden. Zu Fasse, dem Kunsttischler.« Der Sägemeister räusperte sich. »Ich habe hier eine Schriftrolle – Siglinda hat mir dabei geholfen –, darin steht, dass du hart arbeitest, geschickt und fingerfertig bist. Es steht auch drin, dass du der Sprössling eines entfernten, verstorbenen Vetters von mir bist.« Dylert blickte Cerryl mit ernster Miene an. »Nenn mich jetzt bloß keinen Lügner.«
»Das würde ich nie tun, Ser.« Cerryl fühlte den wachsenden Schmerz in seinen Eingeweiden, doch er wandte den Blick von Dylert nicht ab.
»So ist es nun mal, Cerryl. Dein Vater und dein Onkel, sie haben Dinge getan, die … nun ja … sie haben nicht … ich meine … die Weißen Magier sind neidisch darauf … auf etwas … das dem so nahe kommt, was sie tun.« Der Sägemeister wischte sich über die Stirn. »Du bist ihr Sohn und Neffe und in Hrisbarg … nun, so klein wie es ist, jeder kennt nun mal jeden.« Er zuckte mit den Schultern. »In Fairhaven … dort kümmert sich keiner um den anderen … nicht so wie hier jedenfalls.«
Was hatte Onkel Syodor getan? Sein Onkel hatte sich von allem fern gehalten, was mit den Weißen Magiern zusammenhing, und Tante Nall hatte schon einen Anfall bekommen, wenn sie nur einen winzigen Spiegel oder eine Glasscherbe irgendwo in Cerryls Nähe erblickt hatte.
»Mir ist Tellis eingefallen. Er schuldet mir etwas, seitdem ich ihm die besten Goldeichenbalken für seine Werkstatt … und noch einige andere Dinge geschickt habe.« Dylerts Gesicht verdunkelte sich.
Cerryl fragte sich, welch ein Gefallen das wohl gewesen sein mochte, dass der stets freundlich gesinnte Dylert eine solch schlechte Erinnerung daran hatte.
»Tellis ist Dyellas Vetter, ein Schreiber. Du weißt, was ein Schreiber ist?«
Cerryl musste die Verwirrung nicht vortäuschen. Warum sprach Dylert von Schreibern?
»Ein Schreiber schreibt Dinge für andere nieder«, erklärte Dylert langsam, »und in Fairhaven kopieren sie Bücher, solche wie Erhana dich lesen ließ.«
»Ja, Ser.«
»Du wirst Bücher mögen und Tellis schuldet mir, wie gesagt, noch etwas. Sicher kann er einen jungen Burschen gebrauchen, der so hart arbeitet wie du … Fairhaven ist ein besserer Ort für dich … und … nun ja … es ist auch ein besserer Ort … wo jemand … mit dem Talent, das du vielleicht besitzt … wenn du es auch nicht einsetzt … es käme nicht so unerwartet … und Tellis, er weiß, wie die Dinge stehen, wenn du weißt was ich meine …« Dylert räusperte sich lautstark.
Cerryl wusste es. Der Sägemeister machte sich Sorgen, dass ein vorbeikommender Weißer Magier über Cerryl stolpern könnte und Dylert zur Verantwortung zöge. Er glaubte auch, dass Cerryl in Fairhaven sicherer wäre, besonders wenn er seine Fähigkeiten nicht offen einsetzte – oder vielleicht auch gar nicht. »Ja, Ser.«
»Du verstehst mich doch, Junge … es geht nicht nur um dich
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