Die Weiße Ordnung
mir. Ich kenne mich aus auf den Straßen und Meister Dylert überlässt seinen Wagen nicht jemandem, dem er nicht vertraut.«
Darin bestand für Cerryl kein Zweifel.
»Warst du schon einmal auf einer Magierstraße?«, fragte Rinfur.
»Nein. Bin ja noch nicht einmal auf einem Wagen gefahren, außer um die Mühle herum«, musste Cerryl zugeben, während er unruhig auf dem harten Kutschbock umherrutschte.
»Dann wirst du eine Menge Neues sehen.«
»Wie ist es in Fairhaven?«
Der Fuhrmann lachte. »Einen armen Fuhrmann wie mich darfst du da nicht fragen. Die Häuser … fast alle sind aus weißem, blitzendem Stein. Alle Straßen und Nebenstraßen sind gepflastert mit weißen Steinen, wie die Magierstraße. Ist sehr friedlich dort. Ein Mädchen könnte splitterfasernackt auf der Straße herumlaufen, so sagt man, und keiner würde es wagen, es anzufassen.« Rinfur grinste. »Ich habe es zwar noch nicht erlebt, aber man sagt, die Weißen Magier senden Lanzenkämpferinnen aus, um die Abtrünnigen in Versuchung zu führen.«
Cerryl befeuchtete sich die Lippen. Er wusste nicht genau, ob der Staub sie bereits so ausgetrocknet hatte oder das eben Gehörte.
»Wer eine Frau belästigt, wird angeblich zum Straßenbau auf die Große Straße am anderen Ende der Osthörner verbannt. Die Gefangenen müssen arbeiten, bis sie tot umfallen, sagt man.«
Der Wagen wurde langsamer, als die Rösser den niedrigen Hügel im Osten der Mühle erklimmen mussten.
»Weißt du, warum Meister Dylert einen Wagen nach Fairhaven schickt?«, fragte Cerryl. Er wollte nicht schweigend dasitzen.
»Nicht so recht«, sagte Rinfur, »Fairhaven liegt auf halbem Weg nach Lydiar und Meister Dylert schickt keine Wagen zum Hafen.« Er zuckte mit den Achseln. »Zweimal im Jahr bringe ich eine Wagenladung zu Fasse. Immer Weißeiche. Die beste Eiche. Er kommt aus Kyphros, er behauptet, dort gebe es keine weiße Eiche.«
Cerryl blickte über seine Schulter auf die Bretter und Balken, die fein säuberlich auf die Ladefläche geschnallt waren. »Das muss ein Vermögen wert sein.«
Rinfur zuckte erneut mit den Schultern. »Kann ich nicht sagen. Das Geld wird von einem Boten überbracht.«
Ein Bote? Dylert hatte Erastus sechs Goldstücke für einen nur zu einem Viertel beladenen Wagen berechnet und der Wagen war bloß halb so groß wie Rinfurs Fuhrwerk gewesen. Erastus hatte schwarze Eiche gekauft, aber selbst wenn Dylert für diese Ladung nur die Hälfte verlangte … Cerryl schüttelte den Kopf. Mindestens fünfzehn Goldstücke fuhren auf dem Wagen spazieren.
Beim Gedanken an Münzen tastete Cerryl nach seinem eigenen Geld in der Börse und runzelte die Stirn. Er hatte sich ausgerechnet, dass ihm Dylert etwa zwanzig Kupferstücke oder zwei Silberstücke schuldete. Die Börse enthielt mehr als zwei Silberstücke, das wusste er sicher.
Drei Silberstücke und zehn Kupferlinge. Warum? Dylert war doch schon großzügig genug gewesen, ihm die Kleidung und die guten Stiefel zu überlassen. Weil der Sägemeister Cerryl nicht mehr in der Nähe der Mühle haben wollte? Weil er glaubte, er schuldete Syodor etwas?
Der Wagen kroch über die Hügelspitze und gewann bergab wieder an Geschwindigkeit.
»Ruhig … ruhig«, murmelte Rinfur.
Cerryl stützte sich mit einer Hand auf dem hölzernen Kutschbock ab, um nicht nach vorn zu rutschen.
Am Fuß des Hügels angekommen, kniff Cerryl die Augen zusammen. Vor ihm blitzte eine weiße Linie auf – weiß, trotz des orangefarbenen Lichtes der aufgehenden Sonne; ein weißer Strich, der sich in einem Bogen nach rechts durch die Hügel spannte, als hätte man die Hügel gespalten, um der Straße Durchlass zu gewähren.
Zu beiden Seiten der Magierstraße waren niedrige Steinwände gemauert, im Süden trennte die Mauer die Straße von einem kleinen Fluss.
»Da staunst du, was?«, fragte Rinfur. »Ah … endlich. Eine Wohltat, auf dieser Straße nach Fairhaven zu fahren.« Rinfur verlangsamte das Gespann mit leichtem Druck auf die Zügel, als er die Pferde an einem leeren Steinhäuschen vorbeilenkte, das kaum größer war als vier auf vier Ellen. »Manchmal ist hier ein Wachposten stationiert, sie prüfen, ob du auch die Straßenzölle bezahlt hast.«
»Und wenn nicht?«, fragte Cerryl. »Woher weiß man das?«
»Bloß nichts anmerken lassen. Auf der Seite des Wagens, Fahrerseite, klebt eine Plakette. Irgendwie mit Magie festgemacht.«
Die Räder rumpelten über die flachen Steine und Cerryl erinnerte sich an Syodors Worte,
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