Die Weiße Ordnung
Tellis, dem Schreiber. Nun … vermutlich besitzt Tellis Bücher, in denen mehr darüber steht, als ich armer Fuhrmann jemals wissen werde … und beim Lesen bist du auch sicherer.«
Cerryl blickte zurück, aber die Straße war leer.
Rinfur schnalzte mit den Zügeln. »Der Marktplatz in Fairhaven, so etwas habe ich noch nie zuvor gesehen … Gewürze – und Klingen aus allen möglichen bunten Metallen …« Er schüttelte abermals den Kopf. »Das musst du dir ansehen.«
Cerryl nickte und hörte zu, während der Wagen weiter westwärts fuhr.
XXVI
D as Rumpeln der großen Räder und die heiße Nachmittagsluft ließen Cerryls Augenlider immer schwerer werden. Die Sonne, die ihm direkt ins Gesicht schien, tat ein Übriges.
»Bei der Dunkelheit!«
Das ganze Gespann machte einen Satz zur Seite und Cerryl musste sich links und rechts auf dem Kutschbock festkrallen, um nicht hinunterzufallen. Seine Augen standen mit einem Mal weit offen.
»Dämonenverdammter Bote! Glaubt wohl, ihm gehört die Straße allein«, brummte Rinfur. Er hatte das Gespann noch einmal davor bewahrt, an der rechten Mauer entlangzuschrammen.
Cerryl sah zurück, konnte jedoch nur noch eine weiße Staubwolke erkennen.
»… natürlich tut er das. Machst du ihm nicht Platz, lassen dich die Magier auspeitschen.«
»Auch wenn es auf einem Teil der Straße passiert, der durch Lydiar oder Certis führt?«, fragte Cerryl und rutschte unruhig auf dem harten Kutschbock hin und her.
»Darauf kann man fast wetten. Die Magier beherrschen ihre Straße. Und noch vieles mehr.«
Cerryl lauschte gespannt.
»Dylert hat mir etwas erzählt, was sich vor vielen Jahren zugetragen hat. Einer aus der alten Linie der Herzöge, die in Lydiar meine ich, befahl seinen Händlern, die Straßenzölle nicht mehr zu bezahlen, die die Magier erhoben. Drei Tage später standen viertausend Lanzenkämpfer und zwanzig Weiße Magier auf den lydischen Straßen. Sie sprachen kein Wort, kein einziges Wort. Marschierten nur nach Lydiar hinein und steckten den Palast des Herzogs in Brand. Der Herzog war drin, natürlich. Es dauerte vierzig Jahre, bis es jemand wagte, die Ruinen wieder aufzubauen – selbst der von den Magiern ernannte neue Herzog traute sich nicht.«
»Wenn die Weißen Magier doch so mächtig sind, warum stellen sie dann nicht die Herzöge von Lydiar und Certis und …«
Rinfur hob die freie Hand.
»Es war einmal ein Herzog von Montgren. Er half dem Schwarzen Dämon – Creslin, glaube ich. Die Weißen töteten ihn und alle, die in seiner Festung wohnten. Dann machten sie seine Festung dem Erdboden gleich. Montgren gehört seitdem zu Fairhaven.«
»Du hast gesagt, sie haben es auch in Lydiar getan. Den Herzogpalast zerstört, meine ich. Aber es gibt doch noch einen Herzog von Lydiar.«
»Das stimmt allerdings«, sagte Rinfur. »Alles, was ich weiß, ist, dass kein Herzog oder Vicomte oder wer auch immer den Weißen Magiern in die Quere kommen sollte. Auch sollte kein Fuhrmann es wagen, einem Weißen Boten den Weg zu versperren.« Er zuckte die Schultern. »Wenn man das weiß, dann weiß man genug.«
Cerryl starrte geradeaus. Die Berge, die die Straße hinter Hrisbarg durchschnitten hatten, verwandelten sich nun allmählich in sanfte Hügel mit Bäumen und Weiden. Jede Hügelkette erschien niedriger als die vorhergehende.
»Lange wird es nicht mehr dauern, dann sind die Hügel verschwunden«, bemerkte Dylerts Kutscher.
Cerryl nickte.
Fairhaven lag in einem freundlichen Tal; die Straße schlängelte sich allmählich hin zu den weißen Gebäuden, weißen Straßen und grünen Weiden. Bei den Bäumen handelte es sich hauptsächlich um Nadelbäume, kaum so hoch wie die Dächer, denen sie Schatten spenden sollten. Cerryl konnte keinen einzigen Laubbaum entdecken. Lieferte Dylert deshalb Weißeichenholz nach Fairhaven?
Die Farbe der Pflastersteine hatte irgendwo auf der Strecke von Rosa zu Weißgrau gewechselt, genauso wie die Farbe der Mauern. Als der Wagen den letzten kleinen Hügel hinunterrollte, wichen die Wände neben den Straßen Randsteinen, die kaum höher als eine Spanne waren. Dahinter wuchs Gras, noch immer grün trotz der nahenden Erntezeit.
Cerryl wurde geblendet von der Weiße der Stadt, eine Weiße, die irgendwie heller erschien, als sie tatsächlich war, selbst unter dem klaren Himmel und mit dem grellen Nachmittagslicht in seinem Gesicht. Das Gleißen schien noch stärker zu werden, je näher der Holzwagen der Stadt kam.
»Da vorn sind
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