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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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auf?«, Tellis schnaubte ungeduldig.
    »Sie sind bestimmt nach Osten gezogen und haben Fairhaven gegründet.«
    »Was beinhaltet der Name Fairhaven?«
    Cerryl nickte und kam sich dumm vor, als ihm aufging, dass Fairhaven tatsächlich ›weißer Hafen‹ bedeutete.
    »Nun?«
    »Ein Ort der Zuflucht für die Weißen«, antwortete Cerryl.
    »Oh, mein Junge, ich bin nicht wütend auf dich. Niemand hat dir beigebracht zu denken, aber ein Schreiber muss lernen nachzudenken, besonders über die Worte, ihre Bedeutung und ihre Herkunft.« Tellis schüttelte langsam und traurig den Kopf. »Worte sagen so viel mehr, als man auf den ersten Blick annimmt. So viel mehr.«
    »Meister Tellis?«, wagte Cerryl nach einem Augenblick der Stille zu fragen.
    »Ja?« Tellis sprach ruhig und geduldig.
    »Woher weiß man, ob etwas wahr ist, das in einem Buch steht? Ich meine, wenn es um etwas geht, worüber man nichts weiß.«
    Tellis lächelte. »Es könnte noch Hoffnung geben für dich. Das ist eine gute Frage, eine sehr gute sogar, und die Antwort darauf ist nicht einfach. Dennoch … ich will es versuchen.« Der Schreiber zog sich eine Weile nachdenklich am Kinn. »Zuerst einmal … nichts von dem, was geschrieben steht, beinhaltet die volle Wahrheit, selbst wenn jedes Wort wahr ist, denn der Schreiber bestimmt, welchen Teil der Wahrheit er festhält und welchen Teil er weglässt.«
    Cerryl nickte. Das leuchtete ihm ein, aber es half ihm nicht weiter.
    »Du musst also immer daran denken, dass ein Teil der Wahrheit abwesend ist. Dann musst du dich fragen, ob die Worte, die der Verfasser gebraucht hat, miteinander im Einklang stehen. Deshalb habe ich auch so meine Zweifel über die Geschichte Candars. Das Buch ist sehr schön geschrieben, aber«, Tellis runzelte die Stirn, »bestimmte Teile passen nicht zueinander. Es heißt darin, dass die ersten Druiden in der Schlacht von Lornth das Heer von Cyador vollständig auslöschten. Wie könnte das sein, wenn die Geschichtsschreiber vorher festgehalten hatten, dass Nylan den Weg des Schwertes verlassen hatte, als er nach der Flucht, nur mit seinen Händen bewaffnet, in die Wälder von Naclos gegangen war? Oder dass Ayrlyn ganze Heere niedergemacht hatte und gleichzeitig eine Heilerin gewesen war? Es hat noch niemals einen Heiler gegeben, der die Klinge erheben konnte.« Der Schreiber schnaubte, dann schien sich ein Hauch von Wehmut über sein Gesicht zu legen.
    »Könnte es auch anders gewesen sein?«, fragte Cerryl.
    »Das ist möglich«, betonte Tellis, »aber … die Menschen und ihre Eigenschaften ändern sich selten; eher irren sich die Geschichtsschreiber, als dass sich Menschen in großem Maße verändern.«
    Cerryl verkniff sich ein Stirnrunzeln und versuchte stattdessen so auszusehen, als dächte er über die letzten Worte des Meisterschreibers nach. Die Fragen stürmten nur so auf ihn ein. Die Weißen Magier waren eifersüchtig auf die Macht der Schwarzen – hieß das, dass sie es immer schon gewesen waren? Wenn sich die Menschen wirklich nicht veränderten … hatte sich dann auch Candar seit Cyador nicht verändert: ein Weißes Reich löste das andere ab, eine Schwarze Macht ersetzte die andere?
    »Woran erkennt man einen guten Herrscher?«, platzte Cerryl heraus. Damit wollte er seine Verwirrung verbergen und gleichzeitig Antworten finden.
    »Wieder eine gute Frage.« Ein schiefes Lächeln erschien auf Tellis’ Lippen. »Und noch schwerer zu beantworten. Ein guter Herrscher ist nicht unbedingt beliebt bei seinen Untertanen, denn alle Menschen haben mehr Hunger als Fähigkeiten und müssen deshalb in Schach gehalten werden. Das ist eine Aufgabe des Herrschers. Er muss auch für gute Straßen sorgen und dafür, dass genug Korn für Zeiten des Hungers und der Seuche gespeichert wird. Beide Aufgaben erfordern Opfer vom Volk und selten lieben wir diejenigen, die uns etwas nehmen.« Tellis hob ein kleines Stück Leder oder Pergament auf – wahrscheinlich Abfall vom Buchbinden – und warf es in die Richtung des Abfalleimers. Der Schreiber verfehlte sein Ziel und Cerryl wusste, dass er es später aufheben musste.
    »Demnach wird ein guter Herrscher von niemandem gemocht«, überlegte Cerryl, der sich über die Bitterkeit in Tellis’ letzten Worten wunderte.
    »Die Menschen sind so, wie sie sind«, antwortete Tellis. »Genug jetzt. Deine Augen sind so groß wie Spiegel. Ich habe schon zu viel geredet und muss das Buch fertig binden.« Tellis richtete sich auf und dehnte seine Finger,

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