Die Weiße Rose
Innerhalb der HJ sollten die d. j. 1. 11-Mitglieder eine Art geheimen Orden bilden. Sie sollten eine geistige Elite darstellen, die sich von der Masse der Hitlerjungen absetzen sollte. Die „Ideale von Autonomie und Einsatzbereitschaft“ 40 , die tusk in seinen unter der Hand zirkulierenden Schriften predigte, hatten auf junge Intellektuelle wie Hans Scholl eine große Anziehungskraft. Das Konzept einer „Kulturelite“ 41 innerhalb der HJ fiel bei ihm auf fruchtbaren Boden.
Den Kulturelite-Gedanken hat Hans Scholl später für seine Widerstandsaktionen übernommen. Die gemeinsam mit Alexander Schmorell verfassten ersten vier und mit „die Weiße Rose“ unterzeichneten Flugblätter richteten sich in ihrem Duktus an Gebildete. Scholl wollte zu diesem Zeitpunkt die kulturelle Elite, und erst später das ganze deutsche Volk zum Widerstand gegen die NS-Herrschaft aufrufen. Von der Masse des Volkersversprach er sich vorerst nichts. Nur von der Bildungselite konnte seiner Meinung nach eine Wende zum Besseren ausgehen.
tusk Koebel wurde 1934 verhaftet, nach zwei Selbstmordversuchen freigelassen und ging ins Exil. Von dort aus versuchte er weiterhin Kontakt zu seiner Gruppe zu halten.
Die d. j. 1. 11 unterschied sich in einigen Punkten von der HJ. In ihren Schriften wurde die moderne Kleinschreibung praktiziert, ein Stilmittel, das in der NS-Zeit als „undeutsch“ galt. Auf ihren Fahrten führten die Mitglieder der tusk -Gruppe sogenannte Kohten mit, Lappenzelte, die wie indianische Wigwams aussahen und die sich stark von den Militärzelten der HJ unterschieden. Außerhalb des HJ-Dienstes trugen sie eigene, von tusk entworfene „Jungenschafthemden“. Sie machten nicht nur HJ-Dienst, sondern unternahmen auch gerne Wandertouren auf eigene Faust.
Hans Scholl, der durch seine natürliche Ausstrahlung gut Menschen an sich binden konnte, scharte einen Kreis von Jungen um sich. Gemeinsam mit ihnen unternahm er im Sommer 1936 eine Fahrt nach Skandinavien. Eine solche Reise konnten sich allerdings nur Jugendliche aus begüterten Elternhäusern leisten. Auch unter diesem Aspekt war der „tusk“-Kreis ein Eliten-Projekt.
Die Jugendlichen der d. j. 1. 11 einte eine schwärmerische Begeisterung für Russland und für die russische Kultur, allerdings nicht für die Sowjetunion. Sie besuchten gerne Konzerte der Donkosaken und sangen die Lieder mit. Hans Scholl war seit dieser Zeit ein begeisterter Leser der Werke Dostojewskis. Er ließ sich die Romane im Sommer 1942 für eine erneute Lektüre sogar an die Ostfront schicken. Diese Liebe zur Kultur der „slawischenUntermenschen“ machte die Mitglieder von d. j. 1. 11 in den Augen von NS-Ideologen zu „Kulturbolschewisten“, die mit allen Mitteln bekämpft werden mussten.
Die Luft für die d. j. 1.11 und die anderen Rudimente der bündischen Jugend wurde innerhalb der HJ immer dünner. Das Jahr 1936 brachte als das „Jahr des deutschen Jungvolkes“ weitere Verschärfungen.
In diesem Jahr wurde das „Gesetz zur Erziehung der Jugend im Geiste des Nationalsozialismus“ verkündet: Eltern, die ihre Kinder vom Eintritt in die HJ abhalten wollten, konnten von nun an mit Gefängnis bestraft werden. Gleichzeitig wurden die Fächer „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ neu an den Schulen eingeführt. Im Unterricht sollte die „wissenschaftliche“ Grundlage des „Rassegedankens“ vermittelt werden, überdies sollten die Schüler vor der „Rassenschande“ gewarnt werden. Ferner nahm eine Gestapo-Dienststelle „zur Bekämpfung bündischer Umtriebe“ ihre Arbeit auf. Die bündische Jugend sollte damit endgültig beseitigt werden.
Hans Scholl ahnte von all dem noch nichts. Im März 1937 bestand er an der Ulmer Oberrealschule das Abitur. In Göppingen musste er für ein halbes Jahr den für alle jungen Männer obligatorischen Arbeitsdienst ableisten. Danach meldete er sich freiwillig zum Dienst in der Wehrmacht. Das hatte den Vorteil, dass er sich seine Waffengattung aussuchen konnte.
Er wollte Reserveoffizier werden, denn nur junge Männer, die „Offiziersmaterial“ waren, durften studieren. Bereits 1933 hatte man mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen“ den Zugang zu diesen Bildungseinrichtungen stark eingeschränkt. Zunächst betraf es nur die Juden, dannaber auch die nicht-jüdischen Studierwilligen. Ohne Mitgliedschaft bei der HJ und ohne abgeleisteten Wehrdienst konnte man sich bei den meisten Hochschulen in
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