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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Sturms
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Als Diskussionsgrundlage legten Scholl und Schmorell ihre jeweiligen Flugblattentwürfe vor. In der anschließenden Aussprache lehnte Huber Schmorells Text ab, weil er seiner Meinung nach zu viele „kommunistisch klingende Aufforderungen“ 139 enthielt. Schmorell war verärgert und verabschiedete sich bald. Er wollte noch zu einem Konzert gehen.
    Die kleine Episode zeigt, dass die Widerstandsarbeit nicht das Hauptinteresse der Studenten war. AndereDinge standen für sie im Vordergrund. Die Mitglieder des Weiße-Rose-Kreises waren ganz normale Studenten, die für ihre Scheine büffelten, ihre Liebesaffären hatten und ihren Hobbys nachgingen. Scholl und Schmorell haben nicht Tag und Nacht darauf hingearbeitet, das Hitlerregime zu stürzen. Die Widerstandsarbeit war anfangs mehr eine Nebenbeschäftigung für sie. Sie hatten einfach das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen. Vielleicht reizte sie auch die Gefahr, die im Kampf gegen das NS-Regime lag. Wie so viele Nebenbeschäftigungen begann ihnen die Weiße Rose immer stärker über den Kopf zu wachsen. Sie hatten die Macht des Gegners, mit dem sie sich anlegten, sträflich unterschätzt.
    Im Gespräch räumten Scholl und Huber einige inhaltliche Differenzen aus, weil Scholl, anders als Huber, jede Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten ausschloss. Schließlich einigten sich der Student und der Professor auf einen gemeinsamen Text. Wenige Tage später schrieb Hans Scholl das fünfte Flugblatt. Er benutzte dazu den mit Huber gemeinsam erarbeiteten Textentwurf.
    Mit dem fünften Flugblatt leitete der Weiße-Rose-Kreis einen „Kurswechsel zur Demokratie“ 140 ein. Bereits die Überschrift formuliert den neu gefundenen Anspruch: „Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland [...] Aufruf an alle Deutsche!“ 141
    Die Widerstandsbestrebungen des Weiße-Rose-Kreises hatten den Dunstkreis der Münchener Universität verlassen; nun sollte ganz Deutschland die Wahrheit erfahren.
    Die zentrale und gesperrt geschriebene Botschaft lautete: „Hitler kann den Krieg nicht gewinnen, nur noch verlängern!“ Mit dem Aussprechen dieser Wahrheit machte sich der auf Hitler vereidigte Sanitätsfeldwebel Hans Scholl der „Wehrkraftzersetzung“ schuldig, einem schweren Verbrechen im NS-Staat. Er forderte die Deutschen auf, sich von dem „nationalsozialistischen Untermenschentum“ zu trennen, um nicht wie die Juden „das von aller Welt gehasste und ausgestoßene Volk“ zu werden.
    Diese umstrittene Passage wird oft dahingehend interpretiert, dass der staatlich verordnete Antisemitismus des Hitler-Staates auch Scholls Denken vergiftet habe. Eine andere Lesart legt die Vermutung nahe, dass diesem Textausschnitt christlich-antijudaistische Vorstellungen zugrunde liegen, jedoch keinesfalls nationalsozialistischer Antisemitismus. Nach katholischer Lehre, wie sie noch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960-er Jahren galt, war das Judentum von seinem Bund mit Gott abgefallen. Die Juden hatten demnach Jesus Christus nicht als den von Gott verheißenen Messias anerkannt und ihn an das Kreuz schlagen lassen. Zur Strafe wurde der Tempel in Jerusalem zerstört und das jüdische Volk über die ganze Welt zerstreut („Diaspora“). Nach der damals geläufigen katholischen Doktrin mussten die Juden zwar die Strafe der Zerstreuung tragen, das von Gott auserwählte Volk durfte jedoch nicht verfolgt oder gar vernichtet werden. Bekehrungsversuche waren allerdings erlaubt, um die Juden auf den – aus christlicher Sicht – richtigen Weg der Erlösung zu führen.
    Hans Scholl übernahm dieses theologische Axiom und übertrug es auf die Deutschen. Seiner Meinung nach waren sie das andere, von Gott auserwählte Volk.Er warnte die Deutschen vor dem Diaspora-Schicksal der Juden, das sie erleiden würden, wenn sie weiter dem falschen Messias Hitler folgten. Diese Stelle ist ein guter Beleg dafür, wie stark Scholls Denken von der zeitgenössischen katholischen Theologie durchdrungen war.
    Den Zerstörungskräften des Faschismus stellte Scholl ein positives Zukunftskonzept entgegen: Der „imperialistische Machtgedanke“ und „ein einseitiger preußischer Militarismus“ müssten beseitigt werden, um ein föderales Europa aufzubauen, das die Freiheit seiner Bürger garantieren könne.
    „Freiheit der Rede, Freiheit das Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa.“
    Scholl nahm in diesem

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