Die Weiße Rose
er nun nichts mehr ändern wolle und könne. Er hatte die Absicht, diese Blätter in den nächsten Tagen in der Universität zu verteilen, es war ihm aber nicht ganz klar, wie er es machen wollte, und ich beschwor ihn, es niemals in der Form, wie er es etwa meinte, vor den Türen der einzelnen Institute oder auf den Treppen oder der Garderobe in größerer Anzahl hinzulegen, da die Möglichkeit, daß er dabei beobachtet werde, viel zu groß sei. Ich bat ihn auch dringend, nichts mehr in dieser Form zu tun, die ihn allzusehr exponierte. Es müsse ein Weg gefunden werden, daß er etwas anonym bleibe. Er antwortete mir darauf, er sei vollkommen darüber orientiert, daß die Gestapo ihn strengstens verfolge und, wie ihn sein Gewährsmann dahin unterrichtete, seine Verhaftung in diesen Tagen erfolgen würde, dann müsse er noch einmal aktiv sein, ehe er unschädlich gemacht würde, er würde aber, das könne er mir auf das Bestimmteste versichern, nichts mehr in politischem Sinne unternehmen, das ihn so sehr belasten könnte wie seine bisherigen Pläne und Absichten, und daß er sich wieder ganz seinem Studium und seinen Plänen widmen wolle. Was dann am Donnerstag, den 18.2 ., erfolgte, ist bekannt. Am Donnerstag – etwa um 14 Uhr habe ich – es war untrüglich die Stimme von A. Sch. (Alexander Schmorell) – einen Anruferhalten, daß Hans plötzlich weg sei, und noch bevor ich von den Gerüchten, die die Stadt sofort erfüllten, etwas erfahren hatte, war mir die Tatsache seiner Verhaftung klar, und für einige Stunden lähmte mich der Schrecken, daß ein Mensch, der meinem Herzen sehr nahe stand, sein Leben verwirkt hatte.
… Am 11 . 3 . 43 erfolgte meine erste Verhaftung, die erste Haussuchung, die ergebnislos verlief. Nach einem 10 stündigen Kreuzverhör wurde ich wieder entlassen. Wenn ich schon vorher eine große Anzahl des evt. mich belastenden Materials Frau Henriette W. in Ambach gegeben hatte, ebenso auch die Briefe von H. S., so säuberte ich nach meiner Rückkehr mit einem besonderen Nachdruck noch einmal Bibliothek und Schreibtisch, weil ich damit rechnete, daß dies nur der Anfang sei. Als ich doch einige Wochen nichts mehr erfuhr, glaubte ich, mir die ersten Notizen machen zu können; diese wie noch einige recht verfängliche Briefe, die ich im Zusammenhang mit der Sache erhalten hatte, bewahrte ich in meinem Schreibtisch auf. Am 13.4 . vormittags 9 Uhr erhielt ich den Anruf der Gestapo, daß ich um 13.15 Uhr noch einmal zur Briennerstraße kommen möchte, weil sie noch eine Frage zu klären hätten. Durch Dr. Naumann, Furtwängler und andere war ich über die Vernehmungen der einzelnen Leute orientiert und da in all diesen Vernehmungen nie nach mir gefragt wurde, so glaubte ich mich in einiger Sicherheit und war im Augenblick der Meinung, daß es sich wirklich nur um eine informatorische Frage handeln könne. Immerhin benachrichtigte ich Fritz Seidel, der sofort zu mir kam, und wir konnten uns verständigen über gleichlautende Aussagen bei einer eventuellen Vernehmung seinerseits, und was er in Benachrichtigung meiner Mutter und anderer geschäftlicher und persönlicher Fragen unternehmen möchte. […] Es war außerordentlich schwer, stundenlang sich wiederholende Fragen in veränderter Form, die immer wieder die gleichen Dinge betrafen, rasch und präzise zu beantworten, und als ich am Ende der Vernehmung gefragt wurde, ob ich mit der Post ein Flugblatt erhalten habe, als ich also zum erstenmal mit völliger Überzeugung sprechen konnte – viele Juristen haben mir auch bestätigt, daß meine Meinung richtig war –, hatte ich den vielleicht einzigen groben Fehler begangen zuzugeben, daß ich dieses Flugblatt erhalten, aber, und auch das entsprach wieder den Tatsachen, sofort vernichtet hatte. Da die Gestapo immer einen Grund zu meiner Verhaftung suchte und nicht finden konnte, so war hier endlich eine Handhabe gegeben; diese Verbrecher glaubten ja immer ordnungsmäßig zu handeln, wenn sie sich auf einen Paragraphen stützen konnten. –
Die Schilderung dieser stundenlangen Vernehmungen, das Menschenunwürdige der ganzen Zeit der Untersuchungshaft, der unmögliche hygienische Zustand gehört nicht in den Rahmen dieser Ausführungen. Ich darf nur zum Schluß noch erwähnen, daß die 9 stündige Verhandlung vor dem Sondergericht am 13 . 7 . 43 nur durch das gütige Verstehen des leitenden Richters Schwingenschlägl und seine offenbare Absicht, in dieser Verhandlung nicht
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