Die Weiße Rose
die Aufschriften »Nieder mit Hitler« an Häusern und auf der Straße angebracht wurden, in dem Keller meiner Buchhandlung unter dem Abfallpapier versteckt gehalten. Um dieses Versteck möglichst sicher zu halten, sollte ich meinerseits bei den verschiedenen Besprechungen und Zusammenkünften nicht anwesend sein. H. S. unterrichtete mich aber von allen Vorgängen und ich hatte Möglichkeit, meine Meinung zu äußern.
Meine Aufgabe war es, die H. S. angebotene Verbindung mit dem Ausland aufzunehmen. Hier ergab sich für mich die günstige Gelegenheit durch den Kunsthistoriker Giovanni Stepanow, der der Lehrer und Vertraute der Kronprinzessin von Italien war. Prof. Stepanow, mit dem ich durch mehrere Jahre eindeutig politische Gespräche geführt hatte, offenbarte mir im Herbst 1942 , daß viele Fäden der antifaschistischen Bewegung in Italien in den Händen der Kronprinzessin von Italien zusammenliefen, und wenn ich Kenntnis erhalten sollte von Gruppen oder Vereinigungen, die sich in Deutschland aktiv gegen den NS betätigten, sollte ich ihnen in vereinbarter Form Nachricht geben. Ich versuchte damals, um Prof. St. die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, kunstwissenschaftliche Vorträge zu veranstalten. Da mir von den Parteidienststellen hierzu die Genehmigung versagt wurde, konnte ich erreichen, daß die Konzertdirektion Bauer, München, die keine Ahnung von den Nebenabsichten hatte, diese Vorträge einrichtete. Im Monat Dezember sprach ich erstmals mit Prof. St. auf seiner Durchreise von den Plänen des H. S., und es war zwischen Prof. St. und mir verabredet, daß auf seiner Rückreise von Berlin nach der Schweiz, wo er weitere Ausländer sprechen wollte – wenn ich mich recht erinnere, war es eine direkte Verbindung nach England –, eine erste Zusammenkunft mit H. S. stattfinden sollte. In den letzten Tagen des Dezember 1942 kam St. wieder, und leider war H. S. zur Zeit bei seinen Eltern in Ulm. Das Visum war auf einen bestimmten Tag fixiert und so konnte Prof. St. nicht warten. Ich hatte mit Prof. St. vereinbart, daß ich ihm telegraphieren würde, sobald die Bewegung festere Formen angenommen haben würde, und zwar mit der Angabe, daß neue Vorträge festgesetzt seien. Dieses Telegramm habe ich im Einverständnis mit H. S. Anfang Februar aufgegeben, und Prof. St. erschien bei mir erst – die Erledigung der Visumformalität hatte sich länger hingezogen – nachdem es zu spät war.
In dieser Zeit mußte ich bei der sehr schwierigen Geschäftslage sehr oft und manchmal unerwartet verreisen, und deshalb hatte ich, da auch die Besuche des Herrn Prof. St. niemals vorher festgelegt werden konnten, den damaligen Medizinstudenten und jetzigen Dr. Fritz Seidel, München, ins Vertrauen gezogen, damit er in meiner Abwesenheit Prof. St. von dem Geschehenen unterrichten konnte, um von ihm gegebenenfalls neue Tatsachen zu erfahren. So mußte auch Seidel einmal die Druckapparate in Empfang nehmen und in meinem Keller verwahren.
Da die Zeit drängt, diesen Brief verabredungsgemäß zur Bahn zu bringen, muß ich die Darstellung der Zusammenkünfte mit H. S., die immer in meiner Wohnung und meist sehr spät stattfanden – der Anruf erfolgte unter einem Decknamen – insbesondere auch die Schilderung meiner letzten Zusammenkunft mit H. S. am Dienstagabend, zwei Tage vor seiner Verhaftung, in einem weiteren Brief darstellen. Gemäß unserer Verabredung darf ich Sie bitten, vor einer wie immer gearteten Verwertung dieses Briefes Rücksprache mit mir nehmen zu wollen.
Mit meinen herzlichen Grüßen verbinde ich die Versicherung meiner Freude, Sie nunmehr persönlich kennengelernt zu haben.
[Fortsetzung des Berichts:]
… Zu wirklich wesentlichen Gesprächen kam es nur bei unseren abendlichen Zusammentreffen, bei denen wir allein waren. Neben literarischen Fragen waren es immer wieder vorherrschende religiöse Probleme, die Hans Scholl zu mir führten und ich habe nie einen jungen Menschen getroffen, der mit solcher Intensität und Unbeirrbarkeit um diese Dinge gerungen hat. Es konnte sein, daß er, um sich den Begriff des Dreieinigen Gottes zu klären, zwei bis drei Tage durch die Berge wanderte und daß er dann, wurde ihm eine solche Frage klar, ganz gelöst, fast beglückt zu mir gekommen ist. Erst sehr spät, etwa im September 1942 deutete H. S. an, daß er wichtige Dinge mit mir besprechen wollte, daß er es aber bis zu seiner Rückkehr hinausschieben wolle …
Als H. S. aus
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