Die weiße Schmuggler-Jacht
rausgeben?“
Tim begann auf den Lippen
herumzubeißen, was er nur ganz selten tut — nur dann, wenn er nicht weiter
weiß. Er sah Gaby an. Sie hob die Achseln.
„Ist ein echter Konflikt (Zwiespalt) “,
meinte sie. „Einerseits dürfen wir nicht zulassen, daß Dealer das Heroin
erhalten und zig Abhängige einen weiteren Schritt ins Verderben machen.
Andererseits müssen wir Nancy vor ihrem Elend bewahren. Was ja auch für die
Bakers das schlimmste Unglück wäre. Hm, Tim. Vielleicht sollten wir das
Tauschgeschäft noch auf Eis legen. Oder wir versuchen, die Ganoven zu betrügen.
Bei Ganoven, glaube ich, darf man das! Wenn man die reinlegt, belügt und
betrügt, ist das echter Edelmut. Oder?“
„Ist es“, nickte Karl.
„Außerdem müssen sie mir fünf Tafeln
Schokolade ersetzen“, brummte Klößchen. „Soll sich keiner einbilden, daß ich
das vergesse.“
Gaby rutschte vom Bett, schlurfte ins
Bad der Jungs und suchte sich die ihr genehmste Tube Zahncreme aus, nämlich die
einzige, die noch nicht angebrochen war. Sie gehörte zufällig Tim. Klößchen
hatte nur einen ausgequetschten Rest mitgebracht, was zu seiner Zahnbürste
paßte, die noch über ungefähr 20 Borsten verfügte. Karls Tube war seit zwei
Wochen in Gebrauch.
Gaby schüttelte ihr Goldhaar über die
Schultern zurück und blinzelte den Jungs zu. „Gute Nacht!“
„Gute Nacht, Pfote!“ erwiderten sie
dreistimmig, und Tim blieb beobachtend an der Tür, bis sich seine Freundin
eingeschlossen hatte.
„Mich wundert“, sagte Karl, „daß
niemand anruft. Sie haben uns doch Tod und Verderben angedroht. Wenigstens das
müßten sie uns in Aussicht stellen — nachdem du sie mit Willis Schokolade
reingelegt hast.“
„Vielleicht warten sie, bis wir
schlafen“, meinte Klößchen, „damit uns ihr Anruf stört. Wenn sie das ein paar
mal wiederholen, sind wir morgen total schlapp, und sie haben leichtes Spiel
mit uns. Sowas nennt man Nervenkrieg.“
„Wahrscheinlich rufen sie gar nicht an“,
überlegte Tim. „Um uns zu täuschen, nämlich in Ruhe zu wiegen. Aber es ist nur
die Ruhe vor dem Sturm.“
Klößchen gähnte. „Schlafen wir jetzt
endlich?“
Über ihrem Waschbecken schrubbte sich
Gaby die Zähne. Der Bademantel hing an der Tür. Heiß war ihr trotzdem.
Bevor sie ins Bett ging, trat sie auf
den Balkon. Die Nachtluft war lau und streichelte die Haut. Wind bewegte die
tropischen Bäume im Garten. Der Swimmingpool trug silbrige Kräuselwellen. Und
das Meer rauschte wie seit ewigen Zeiten.
Gaby beschloß, bei geöffneter Balkontür
zu schlafen. Immerhin befand sie sich im dritten Stock. Niemand konnte hier
reinsteigen. Daß sie die Uhls als Nachbarn hatte vergaß sie in ihrer
bettschweren Müdigkeit.
12. Schreckliche Entdeckung
Von der Hotelhalle führt eine breite
Treppe ins Untergeschoß des Grand-Hotels — zum Isabella Nightclub. Er öffnet
nicht vor 23 Uhr — was aber früh ist für Nachteulen. Internationale Kapellen,
Sänger und Sängerinnen wechseln sich ab. Und die Beleuchtung ist so matt, daß
selbst Schrumpfapfel-Gesichter jung und faltenlos wirken.
Dragoumi und die Uhls hatten einen
Tisch in der Ecke gewählt. Hier konnte man sich verständigen, ohne wie ein
Stier brüllen zu müssen. Seit einer Viertelstunde saß ein gewisser Nikolaou bei
ihnen. So hieß der Narbige. Dragoumis Handlanger, der an diesem Abend nur
Mißerfolge verzeichnet hatte. Er trug jetzt trockne Klamotten. Er hatte
berichtet, und sein Gesicht war schief vor Haß. Aus der Whiskyflasche, die
Dragoumi bestellt hatte, goß er sich immer wieder ein.
„Wer sind diese verfluchten Bälger
eigentlich?“ fragte der fette Grieche und schnippte sich Haarschuppen vom
Jackettkragen.
Kathrin Uhl, die Schlangenäugige,
verzog das Gesicht. Sie haßte schlechtes Benehmen.
„Daß sie irgendwie zu den Bakers
gehören“, sagte sie, „ist klar. Vielleicht Verwandte oder so. Jedenfalls
stammen die vier aus unserer Stadt, und mit dem Mädchen hatte ich bereits das
Vergnügen. Sie ist mir dumm gekommen, als ich ihren Köter getreten habe. Ist
eine ganz freche Laus.“
„Der Große mit den dunklen Locken
scheint so eine Art Jugendmeister zu sein — in fernöstlichen Kampfsportarten“,
meinte Uhl. „Es ist keine Schande, Nikolaou, daß Sie ihn nicht in den Griff
kriegen.“
Der Narbige erwiderte nichts, zischte
durch die Zähne und griff wieder zum Glas.
„Und wie geht’s nun weiter?“ fragte
Kathrin.
„Der Chef muß entscheiden“,
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