Die weiße Schmuggler-Jacht
fluchte griechisch, was sich wegen der starken Vokale
sehr melodisch anhörte.
„Morgen früh bist du punkt neun Uhr“,
befahl er, „am Mandraki-Hafen. Du gehst über die Mole in Richtung Ritterstadt,
nämlich bis zum Eleftherias-Tor, dem Freiheitstor. Dort wartest du. Ein Mann
wird dich ansprechen. Dem händigst du das Paket mit dem Stoff aus. Klar? Daß
ich weit und breit keinen Polizisten sehen will, muß ich nicht extra betonen,
wie?“
„Ist klar. Wann lassen Sie Gaby frei?“
„Eine Stunde nach der Übergabe. Erst
vergewissern wir uns, daß alles in Ordnung ist.“
Für einen Moment war Stille in der
Leitung. Dann wurde die Verbindung unterbrochen. Auch Tim legte auf.
Sie beratschlagten.
„Selbstverständlich bringe ich dem das
Heroin“, sagte Tim, „falls das die letzte Möglichkeit ist, Gaby zu befreien.
Himmel, sie hat sicherlich schreckliche Angst. Umbringen könnte ich diese
Verbrecher! Nach dem Chloroform wird ihr übel sein. Hoffentlich hat sie einen
Schlafanzug an, in dem sie sich nicht schämen muß. Habt ihr bemerkt, daß unsere
Zimmer durchsucht wurden?“
„Meine weißen Socken“, sagte Klößchen, „lagen
in Karls Schubfach. Aber ich dachte, das wäre mir passiert.“
Karl hatte so wenig bemerkt wie Tim.
Der sagte: „Natürlich warten wir nicht
bis morgen früh. Die Nacht ist lang. Da kann viel geschehen — besonders, wenn
wir sofort losbrettern. Heimlich, natürlich! Von den Uhls lassen wir die
Finger. Die sollen denken, uns wäre der Mut in die Hose gerutscht. Daß wir hier
die Mücke machen, dürfen sie nicht merken.“
„Und wohin socken wir?“ fragte
Klößchen.
„Zu Dragoumi. Ist unsere einzige
Anlaufstelle, aber bestimmt auch die richtige. Dort sehen wir uns um, Freunde.
Im Schleichschritt, notfalls auf Händen und Füßen. Vielleicht ist Gaby dort in
den Keller gesperrt.“
Karl schüttelte den Kopf. „Das bestimmt
nicht. Wäre zu riskant für den öligen Kerl. Aber... Du hast recht. Wir müssen
dort rumschnüffeln. An Schlaf ist jetzt sowieso nicht zu denken.“
Sie ließen das Licht brennen und
schlichen auf Zehenspitzen. Karl schloß ab. Bei den Uhls war alles still.
Die Hotelhalle verwaiste. Nur der
Nachtportier gähnte hinter seiner griechischen Zeitung. Die Akandia-Bar hatte
bereits dicht gemacht. Im Kellergeschoß tobten noch einige Unentwegte bei
heißer Musik im Isabella-Nightclub. Im Casino erloschen allmählich die Lichter.
Auch Zocker werden müde — besonders, wenn ihnen das Pech an den Fersen klebt.
Die Nachtluft war immer noch lau,
unterschied sich aber deutlich von der Mittagshitze. Jedenfalls konnte man
jetzt keinen Sonnenbrand kriegen.
Tim fiel sofort in Trab und zog seine
Freunde mit sich — immer ostwärts auf der Vassileos Konstantinou, sozusagen der
aufgehenden Sonne entgegen. Allerdings würde sich die erst in etwa fünf Stunden
aus dem Meer erheben. Zur Zeit beherrschte der Mond die Szene.
Ob die Gaby was antun? überlegte Tim
wieder und wieder. Warum haben sie mich nicht entführt, diese Feiglinge? Weil
sie sich dann blutige Nasen geholt hätten. Das haben Verbrecher so an sich:
Immer hauen sie los auf das schwächste Glied in der Kette.
Die Straße war ruhig. Nur selten fuhr
ein Wagen. Als sie sich ihrem Ziel näherten, vermieden sie den Lichtschein der
Laternen. Dicht an den Zäunen und Gartenmauern pirschten sie entlang, immer im
Schatten der Bäume, deren Zweige an vielen Stellen über den Gehsteig ragten.
Tim blieb stehen. Vor dem Gittertor
parkte ein Wagen — ein französisches Modell der gehobenen Preisklasse.
„Vorhin war der nicht da“, sagte er
leise. „Ob Dragoumi Besuch hat?“
Niemand saß in dem Fahrzeug. Sie liefen
ans Gittertor und spähten zum Haus. Alle Fenster waren dunkel. Schlief man hier
schon?
Die Pforte stand offen. Das wirkte
geradezu einladend.
„Die Straßenfront der Hütte“, sagte
Tim, „ist nicht die Schokoladenseite. Der Garten dehnt sich nach hinten aus.
Was da blüht und gedeiht, riecht man bis hierher. Ich sehe mich dort um.“
„Wir decken dir den Rücken“, meinte
Klößchen und zog sein Messer aus der Tasche. Aber er ließ die Klinge
eingeklappt, und Tim verzichtete darauf, ihm sein Spielzeug zu verbieten.
Sie huschten über den Vorplatz. Der
Brunnen plätscherte. Tim schlich voran, an der Schmalseite des Hauses nach
hinten. Bevor er die hintere Ecke erreichte, hörte er fernes Gelächter. Es kam
von oben. Und richtig — dort fiel auch Licht in die Nacht.
Im zweiten und
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