Die weiße Schmuggler-Jacht
sicherlich
von dessen Geschäften und schluckt seinen Wein — statt sich mit Grausen zu
wenden.
Sie tranken Wein, die fünf. Mehrere
Flaschen standen auf dem Tisch.
Im Moment hatte das Gespräch eine
Pause. Weil Dragoumi die vierte Flasche entkorkte und allen nachschenkte.
Tim puhlte sich Kakteenstacheln aus der
Haut und beäugte Sadras Freier, einen großen, schönlinghaften Griechen im
weißen Seidenanzug. Das Jackett war unter den Achseln nur ganz wenig
verschwitzt. Der Typ mochte Gold. Es hing überall an ihm. Als er den Mund
aufmachte, erkannte Tim die Stimme.
Mit dem hatte er vorhin am Telefon
gesprochen.
Auch jetzt klang die Stimme wie
geseift.
„Das wird ein Riesenfest“, sagte er, „wenn
Sadra und ich Weihnachten heiraten. Und ihr...“
„Wenn das deine Nancy wüßte, Athanase“,
fiel ihm Dragoumi feixend ins Wort.
Sofort hob Sadra den Kopf. In ihren
schwarzen Augen blitzte es. „Sie ist nicht seine Nancy! Sie ist nur eine
Geldader, die von Athanase angezapft wird. Nicht wahr! 100 000 Dollar wird
Baker hinlegen müssen, um sie freizukaufen.“
Dieses ehrenwerte Vorhaben schien allen
bekannt zu sein, denn niemand wunderte sich.
Athanase Mitilini! dachte Tim. Na also!
Hat doch sein Gutes, wenn man klettern kann. Sonst hätte ich diesen
Edelmenschen verpaßt.
Mitilini setzte seinen begonnenen Satz
fort. „Und ihr“, wandte er sich an die Uhls, „seid eingeladen. Zu unserer
Hochzeit.“
Beide bedankten sich. Sie radebrechten
das gleiche Küchenenglisch wie die Griechen. Was Tim sehr entgegenkam.
Bezweifelte er doch, ob sein Sprachvermögen gereicht hätte, um einer gepflegten
Konversation (Unterhaltung) zwischen Lords und Ladies zu folgen.
„Bakers Geld“, sagte Mitilini und
grinste gemein, „ist sozusagen ein Hochzeitsgeschenk. Dazu kommt der Gewinn aus
dem Verkauf des Heroins. Das wird reichen.“
„Athanase wünscht sich sieben Söhne“,
lachte Sadra. „Aber da habe ich auch ein Wort mitzureden.“
Er nickte, führte sein Glas zum Mund,
trank aber nicht. Eine Idee schien ihn zu begeistern.
„Was blitzt denn da auf in meinem
schlauen Kopf? Sadra überlegt nämlich“, wandte er sich an die andern, „wie sie
ihren Vater beraten soll. Was ist günstiger? Wenn er Baker den Süleyman-Dolch
verkauft. Oder wenn dieser Pritchett ihn kriegt. Der Typ hat sich vorhin bei
Sadra gemeldet. Er will jeden Preis zahlen. Jetzt weiß ich, wie wir das machen.“
„Ach?“ fragte Sadra.
„Zuerst kriegt ihn Baker. Wenn ich dem
die Tochter zurückschicke, kostet das nicht nur 100 000 Dollar. Nein! Auch den
Dolch will ich haben. Als kleine Draufgabe — da ich doch immerhin auf die große
Liebe meines Lebens verzichte und mir Nancy Baker buchstäblich aus dem Herzen
reiße. Hahah! Dafür muß er den Dolch hergeben. Dein Vater, Sadra, hat dann
bereits sein Geschäft gemacht. Wir verkaufen Satans siebte Rippe an Pritchett
und — werden noch reicher.“
Das gefiel allen. Hochachtung überzog
die Gesichter wie Nährcreme. Sadra küßte ihren Ganovenhäuptling auf Mund und
Wange. Dann griffen alle zu den Gläsern und wünschten ihm gutes Gelingen.
Dietmar Uhl sagte: „Von Dragoumi kennen
wir die Geschichte des Dolches. Aber sie endet 1938, als ihn ein Matrose stahl.
Von der Jacht eines englischen Lords, richtig? Der Matrose wurde dann in Kámiros
ermordet, und damit verschwand der Dolch abermals. Wie ist denn Ihr Vater,
Sadra, an dieses Prachtstück gekommen?“
„Ganz einfach“, erklärte sie fröhlich. „Er
hat ihn von seinem Vater, meinem Großvater. Der hat 1938 den Matrosen
umgebracht. Wegen eines Streits. Man sagt, es sei ein Raubmord gewesen. Das...
hm... ist Ansichtssache. Zwar hat Großvater den Toten ausgeplündert, aber das
war nicht der Anlaß zur Tat. Er nahm auch den Dolch an sich, erfuhr aber erst
später, wie wertvoll der ist. Sein Leben lang hat er nicht gewagt, den Dolch zu
verkaufen. Aus Angst vor Entdeckung. Inzwischen
ist die Tat verjährt. Mein Vater hat
den Dolch geerbt. Großvater lebt nicht mehr.“
„Aber er wurde nie gefaßt?“ fragte
Kathrin Uhl. „Ist also eines natürlichen Todes gestorben?“
„Daß er der Täter ist, wurde nie
bekannt. Aber Großvaters Leben nahm einen entsetzlichen Verlauf. Er erkrankte
an Lepra (Aussatz), einer grausigen Krankheit, die zu Verstümmelung und
Tod führt. Damals wußte man noch nicht viel über die Krankheit. Wer davon
befallen war, wurde auf die Lepra-Insel Spinalonga verbannt. Eine kleine
Felseninsel ist das. Sie
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