Die weissen Feuer von Hongkong
Anweisung mitgeteilt hatte, erkundigte sich Conolly sachlich: »Willst du auch schlafen, Chef?«
Kolberg nickte. »Und meinen Jungen mal besuchen.«
»Verständlich«, meinte der Kopilot gönnerhaft. »Schularbeiten kontrollieren, Hintern vollhauen, Taschengeld geben und so. Du bist entschuldigt.«
Fred Kolberg hatte es eilig. Er legte sein Gepäck in dem Zimmer im Flugplatzhotel ab, das sie alle vier gemeinsam bewohnten, rasierte sich und zog ein sauberes Hemd an. Wenig später fuhr er mit der Fähre von Kowloon nach Hongkong hinüber, nahm dort ein Taxi und ließ sich zur Repulse Bay bringen, einer idyllisch gelegenen Bucht an der Seeküste. Hier war am Fuße der grünen Hügel ein luxuriös hergerichteter Badestrand. An Land erhob sich der weiße Bau des Repulse-Bay-Hotels mit seinen luftigen Zimmern, Speiseräumen und Tanzsalons. Als Kolberg am Hotel ausstieg, war die Sonne bereits untergegangen. Die Hügelkämme und das Wasser der Bucht waren in ein flammendes Rot getaucht. Langsam verblaßten die grellen Farben der Landschaft und gingen in ein sattes, tiefes Blaugrau über, das nach und nach im Dunkel der Nacht versank. Auf den Booten vor der Küste zündeten die Fischer ihre Karbidlaternen an, deren blinkende Flammen auf dem Wasser zu tanzen schienen. Die Sterne wurden sichtbar, und bald war der Himmel über der Bucht mit ihren flackernden Lichtern übersät.
Luise Lauffer bewegte leicht die Hand, als der Pilot auf der Terrasse erschien. Kolberg entdeckte sie sofort; er begrüßte sie und entschuldigte sich, weil er sie so unvermittelt hierher gebeten hatte.
»Entschuldigen Sie sich nicht, mein Lieber«, erwiderte die Frau freundlich. »Es gehört nicht zu den unangenehmsten Abendbeschäftigungen, hier zu sitzen und ein wenig kühle Seeluft zu atmen. Essen Sie mit mir?«
Sie trug dasselbe weiße Leinenkostüm, in dem sie am Nachmittag ihr Studio verlassen hatte. Für den Abend hatte sie Puder aufgelegt und ihre Lippen kirschrot nachgezogen. Während sie aßen, musterte Luise Lauffer ihr Gegenüber sehr genau. Schließlich fragte sie: »Sie machen einen abgespannten Eindruck. Hatten Sie Ärger?«
Kolberg schüttelte den Kopf. »Es fällt mir schwer, davon anzufangen. Ich habe ein Anliegen an Sie, und ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn ich mich an Sie wende.«
Sie trank einen Schluck Wein, dann erkundigte sie sich: »Geschäftlich?«
»Nein. Diese Sache ist abgeschlossen.«
»Und was haben Sie auf dem Herzen?«
Er legte das Besteck auf den Teller und sah sie an. »Es handelt sich um mich, Miß Lauffer, um mich selbst.«
Die Frau aß ruhig weiter. Also eine kleine private Gefälligkeit. Das ist beruhigend. Dann braucht man wegen des beendeten Rosenquarzgeschäftes keine Befürchtungen mehr zu haben. Was kann diesen großen, breitschultrigen Flieger bedrücken? Luise Lauffer hatte sich für seine Lebensgeschichte interessiert, bevor sie die Schmuggelei mit ihm zusammen begonnen hatte. Geschäftspartner soll man möglichst genau kennen. Dieser Deutsche war eine Art menschliches Strandgut, nach Asien verschlagen und dann hängengeblieben. Ein Gauner war er nicht, auch sonst fehlte ihm so manches, was den skrupellosen Abenteurer ausmachte. Zu dem Geschäft mit dem Rosenquarz hatte sie ihn drängen müssen. Sie blickte ihn an und entsann sich in diesem Augenblick, daß sie in den Morgenzeitungen Nachrichten über den Krieg in Korea gelesen hatte. Gleichzeitig fiel ihr ein Gespräch ein, das sie vor geraumer Zeit mit Kolberg geführt hatte. Sie lächelte. »Irre ich mich, oder wollen Sie von mir einen Rat, wie Sie am schnellsten nach Deutschland kommen?«
Seine Reaktion bestätigte ihr, daß ihre Vermutung stimmte. Sie tupfte vorsichtig mit der Serviette über die Lippen, dann sagte sie schnell: »Reden Sie nur. Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, Ihnen zu helfen.«
Mit wenigen Sätzen erklärte er ihr den Zusammenhang. Sie hörte ihm schweigend zu. Der Kellner kam und räumte das Geschirr fort. Er füllte neues Eis in den Weinkübel und entfernte sich wieder.
Als Kolberg zu sprechen aufhörte, fragte Luise Lauffer nachdenklich: »Wenn ich Sie recht verstehe, wollen Sie nicht nach Korea. Und weil Sie nun doch dorthin geschickt werden, möchten Sie lieber nach Hause?«
»Ich bin zur CAT gegangen, um aus dem Internierungslager zu kommen und meinen Jungen wieder in Freiheit zu wissen. Damals dachte ich, das wäre eine zivile Lufttransportgesellschaft. Als ich entdeckte, was die CAT wirklich
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