Die weissen Feuer von Hongkong
war, versuchte ich von dort wegzukommen. Man hat es mir verwehrt. Und jetzt soll ich nach Korea. Aber ich habe keine Lust dazu.«
»Sie haben Angst vor dem Krieg?«
Kolberg schüttelte den Kopf. »Ich will einfach nicht. Es gibt für mich absolut keinen Grund, für die Vereinigten Staaten Krieg zu führen. Ich bin kein Amerikaner, sondern Deutscher. Die Koreaner haben mir nichts getan.«
Sie nippte an ihrem Wein. »Hatten Sie sich nicht für zehn Jahre bei der CAT verpflichtet?«
Er lachte auf, ein bitteres Lachen. »Finden Sie nicht auch, es wäre genauer zu sagen, man hat mich für zehn Jahre schanghait?«
»Aber Sie haben unterschrieben.«
»Ich habe nicht unterschrieben, daß ich für die CAT als Kriegspilot fliegen will.«
»Darüber, ob Sie recht haben oder die CAT, könnte man vermutlich eine juristische Doktorarbeit schreiben«, meinte die Frau. »Aber damit wäre Ihnen kaum geholfen. Glauben Sie nicht, daß Sie mit etwas Glück den Korea-Krieg überstehen könnten?«
»Ob ich ihn überstehe oder nicht, spielt keine Rolle. Ich habe einfach keine Lust, einen Krieg mitzumachen, der mich nichts angeht. Sie wissen, daß ich im zweiten Weltkrieg Flugzeuge getestet habe. Ich habe leider erst viel später herausgefunden, wie wenig mich dieser Krieg anging. Heute bin ich klüger als damals. Und ich habe es satt, mich mein ganzes Leben lang in Sachen verwickeln zu lassen, die mich nichts angehen.«
Luise Lauffer griff nach einer Zigarette, Kolberg gab ihr Feuer. Während auch er sich eine Zigarette anzündete, sagte sie langsam: »Ich glaube, ich verstehe Sie. Und nun sagen Sie mir, womit ich Ihnen helfen könnte. Überschätzen Sie meine Möglichkeiten nicht. Ich bin Österreicherin und nach Hongkong gekommen, um Geld zu machen. Ich halte nicht viel von Politik, von Kriegen übrigens auch nicht. Aber das ist wohl nicht Gegenstand unserer Unterhaltung. Wir waren einige Zeit Geschäftspartner, und Sie sind ein Mensch, für dessen komplizierte Lage ich ein gewisses Verständnis habe. Was könnte ich also für Sie tun?«
»Ich wollte, Sie bitten, mir eine private Aussprache mit dem deutschen Generalkonsul zu vermitteln. Möglichst noch in den paar Stunden, bevor ich nach Taiwan zurückfliege.«
Sie sah ihn erstaunt an. »Sie wollen mit Brautmann sprechen?«
»Ja. Einmal erwähnten Sie beiläufig, daß Sie ihn bei einem Empfang kennengelernt haben.«
Sie nickte. »Das habe ich. Meinen Sie, er könnte Ihnen helfen?«
»Wer sonst?« fragte er. »Ein Konsul hat sich um die Angelegenheiten seiner Landsleute zu kümmern.«
»Aber Sie sind staatenlos.«
»Mein Gott, ja! Immerhin hat man mich einmal aus Deutschland hierhergeschickt, und es muß doch eine Möglichkeit für mich geben, endlich wieder nach Hause zu kommen. Für mich und den Jungen.«
Sie überlegte einen Augenblick, dann sagte sie: »Ich könnte Brautmann anrufen. Warum nicht? Er würde mir die Bitte, Sie zu empfangen, sicher nicht abschlagen. Was er für Sie tut, ist eine andere Sache.«
»Ich möchte es versuchen. Es ist die letzte Chance für mich. Übermorgen soll ich von Sungshan nach Korea abfliegen. Nur der Konsul könnte das noch verhindern.«
Luise Lauffer lächelte. »Er könnte es.« Sie erinnerte sich an Brautmann und die Unterhaltung, die sie damals geführt hatten. Jener untersetzte, leicht verfettete Diplomat mit dem schütteren, ergrauten Haar hatte es nicht an Liebenswürdigkeit fehlen lassen, als ihm die Österreicherin vorgestellt worden war. Sie hatten über die Alpen geplaudert, die Brautmann ausgezeichnet kannte, über den Rhein und über Hamburg. Es war eine freundliche, aber unverbindliche Unterhaltung gewesen. Auch später, als die Frau einige Male von Brautmann zu Cocktailparties eingeladen worden war, hatte sich ihr Gespräch stets in den Bereichen angenehmer Erinnerungen an Plätze bewegt, die sie beide kannten.
»Er ist ein umgänglicher Mann«, sagte sie langsam, aber sie war nicht davon überzeugt. Es gab eine Anzahl von Gerüchten um jenen geschmeidigen Diplomaten aus Bonn. Bei den britischen Behörden der Kolonie waren Briefe eingegangen, in denen behauptet wurde, daß Brautmann für die Deportation von Juden aus Lettland und Litauen verantwortlich gewesen war. Eine chinesische Zeitung in Hongkong hatte vor einiger Zeit ein Interview mit einem sowjetischen Matrosen veröffentlicht, dessen Angehörige auf einen Befehl Brautmanns nach Auschwitz deportiert und dort vergast worden waren. Man hatte die Sache
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