Die weissen Feuer von Hongkong
hatte nicht nur Ruinen und Gräber zurückgelassen.
»Sie wissen vermutlich nicht viel darüber, wie es jetzt in Deutschland aussieht?« fragte er dann.
Der Pilot bewegte leicht die Schultern. »Wenig.« Er bereute es nicht, diesem polnischen Matrosen von sich erzählt zu haben. Der Mann schien darüber nachzudenken. In dieser Gegend der Welt hatte er wenige Menschen kennengelernt, die sich bemühten, für die Lage eines anderen Verständnis aufzubringen.
»Ich würde Ihnen gern etwas darüber erzählen«, sagte der Pole. »Manchmal komme ich in einen deutschen Hafen, im Westen oder im Osten. Sie sind in Ostdeutschland zu Hause?«
Kolberg nickte. »Ich weiß nicht viel mehr, als daß es dort jetzt eine kommunistische Republik gibt.«
»Und wie so etwas aussieht, können Sie sich natürlich nicht vorstellen.«
»Nein«, gab Kolberg zu. »Oder doch, nach dem, was man in den amerikanischen Zeitungen darüber liest.«
»Hm ... «, machte der Pole. Er trank einen Schluck aus seinem Glas und fragte: »Haben Sie Angst vor den Kommunisten?«
Diese Frage kam überraschend für Fred Kolberg. Er sagte unbestimmt: »Ich kenne sie nicht.«
»Sie sind so ähnlich wie ich«, erklärte der Pole und sah seinen Gesprächspartner an.
»Sie sind Kommunist?«
»Natürlich.« Der Steuermann bestellte noch zwei Gläser Whisky. Dann wandte er sich wieder an den Flieger und fragte: »Trinken Sie daraufhin noch einen mit mir? Oder beabsichtigen Sie nun, sich mit mir zu prügeln?« Er sagte es mit jener Gelassenheit, die den Piloten überhaupt erst ermuntert hatte, von seinen Sorgen zu erzählen.
Kolberg griff nach dem angebotenen Glas, ohne auf die Frage zu antworten. Nachdem er getrunken hatte, erkundigte er sich: »Sie sind nur für kurze Zeit in Hongkong?«
»Ich bleibe vielleicht noch eine Woche oder etwas länger. Unser Schiff liegt mit Schraubenschaden im Dock. Wenn Sie Lust haben, können Sie mich dort mal besuchen. Polnischer Wodka ist besser als dieses Gesöff hier.«
»Ich wünschte, ich könnte es«, erklärte Fred Kolberg. »Leider wird es wohl nicht möglich sein.«
»Sie fliegen nicht wieder mal die Route nach Hongkong?«
»Es sieht nicht so aus.«
»Schade«, meinte der Pole. »Aber für alle Fälle - mein Schiff ist die ,Kosciuszko‘. Sie brauchen nur nach dem Ersten Steuermann zu fragen: Josef Koslowski.«
»Ich werde es mir merken«, versicherte Kolberg. Er glaubte nicht, daß er dem Matrosen noch einmal begegnen würde. Man traf hin und wieder einen Menschen, mit dem man wie mit einem alten Freund reden konnte, aber meist gingen die Wege bald auseinander, man sah sich nicht wieder. »Trinken wir aus«, schlug er vor. »Ich habe noch nie mit einem Kommunisten an einer Bar gesessen.«
Der Pole lächelte. »Fanden Sie es erträglich?«
»Ich habe heute schon einmal mit jemandem Whisky getrunken«, erwiderte Kolberg. »Er war klein und dick, und Diplomat. Ich wünschte, ich hätte statt dessen lieber etwas länger mit Ihnen zusammensitzen können.«
Er winkte dem Keeper und schob ihm einen Geldschein hin. Der Pole sagte zu dem Chinesen: »Fifty-fifty.« Als Kolberg zur Tür ging, blickte er ihm nach. Josef Koslowski erinnerte sich an die vielen Deutschen, die ihm schon begegnet waren. Dieser hier war sympathisch gewesen. Er dachte über den Fremden nach; dabei fiel Koslowski auch wieder sein Bruder ein, der in der 32. Straße in New York Autos putzte. Er schüttelte ein wenig betrübt den Kopf und bezahlte. Während der Keeper ihm herausgab, fragte der Steuermann: »Verkehrt wohl öfter hier, dieser Flieger?«
»Mister Kolberg?«
»Heißt er so?«
»Ja. Er kommt ab und zu mal vorbei.«
»Lustiger Mann, wie?«
Der Keeper lächelte. »Flieger sind immer lustig, sie haben immer Geld.«
»Matrosen auch«, meinte Koslowski. Der Barkeeper beugte sich über die Theke. »Geld ist wichtig in Hongkong. Für Geld gibt‘s alles. Suchen Sie ein Mädchen?«
»Hm?« Koslowski tat, als verstehe er nicht.
»Mädchen. Wenn Sie wollen, es gibt etwas ganz Seltenes hier, Savalita. Kommt aus Samoa, hat drei Brüste, Mister, eins, zwei, drei. Ganz selten, bestimmt. Wollen Sie bekannt werden mit ihr?«
Koslowski glitt von seinem Hocker herunter, zog sich die Hose zurecht und trug dem Keeper auf: »Richte ihr einen Gruß von mir aus, Jonny, und daß der Arzt es mir verboten hat.«
Er ging zur Tür, ein wenig schwankend. Ein Mann, den sie auf seinem Schiff gutmütig scherzend den Philosophen nannten, weil er sich Mühe
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