Die weissen Feuer von Hongkong
Dafür sind Sie uns zu wertvoll, weil Sie zuviel können. In Ihnen stecken bereits einige zehntausend Dollar an zusätzlicher Ausbildung. Die geben wir nicht umsonst aus. Aber ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Sie werden von heute abend an einen Einsatz nach dem anderen fliegen. Es wird sich erweisen, ob Sie ein guter Soldat sind oder nicht. Sind Sie es, dann kommen Sie zu mir, sobald der Krieg in Korea entschieden ist. Auch wenn zu dem Zeitpunkt noch keine fünf Jahre um sind. Für einen guten Soldaten tue ich jederzeit etwas. Kommen Sie in dieser Uniform und mit allen Auszeichnungen, die Sie sich bei Ihren Einsätzen erworben haben. Ich werde mir genau ansehen, was Sie tragen. Und wenn mir das gefällt, werde ich mich dafür einsetzen, daß eine Ausnahme mit Ihnen gemacht wird. Falls Sie dann noch ebenso gern nach Deutschland zurück wollen wie jetzt. Verstanden?«
»Verstanden«, antwortete der Flieger. Das Gespräch war zu Ende. Es hat nicht anders verlaufen können, überlegte Kolberg. Es war eine Illusion, von Chennault Verständnis zu erwarten. Chennault, Brautmann - das ist ein und dasselbe. Jede Minute, die man an sie verschwendet, ist sinnlos vertan. Er salutierte und ging. Nur ich selbst kann mir noch helfen, dachte er. Ohne sich aufzuhalten, fuhr er mit einem Werkstattjeep zu seiner Maschine, die zwischen den Splitterschutzmauern stand. Die Monteure hatten die Planen abgenommen. Offenbar war die technische Durchsicht abgeschlossen. Es wurde ihm bestätigt, als er den Chefmonteur fragte, der an einem der nächsten Flugzeuge stand.
»Dein Vogel ist okay«, bestätigte der kleine, blonde Sergeant. »Aufgetankt, beladen, alles. Willst sie wohl nochmal streicheln, wie?«
Kolberg schob die Mütze ins Genick und grinste. »Will mir den Sitz anwärmen.« Er kletterte durch die Einstiegluke, der Monteur rief ihm nach: »Mach die Klappe wieder dicht, wenn du aussteigst, sonst niest mich der Alte an!«
Kolberg zwängte sich durch den Gang vor zur Kanzel. Er überzeugte sich, daß die Bomben eingehängt waren. Sechs Tonnen trug dieser viermotorige Raubvogel, dessen erste Serie noch im letzten Jahr des zweiten Weltkrieges in Dienst gestellt worden war. Der Pilot sah, daß unter den Tragflächen Zusatztanks hingen. Sie erhöhten die normale Reichweite auf etwa dreitausend Kilometer. Fred Kolberg begann zu rechnen. Er zog die Karte aus dem Futteral und maß die Entfernung, die er mit dem vorhandenen Kraftstoff zurücklegen konnte. Schließlich ging er in die Funkerbude. Nach einigem Suchen fand er, was er brauchte. Ja, Claire Lee Chennault hatte recht, es steckten einige zehntausend Dollar an zusätzlichen Ausbildungskosten in ihm. Es würde sich zeigen, ob diese Ausbildung gut gewesen war.
Aus dem Schubfach unter dem Funkgerät nahm er eine Rolle dünnen Kupferdraht. In der Kanzel hob er eine der Metallplatten des Bodenbelags an. Durch das Gewirr der Leitungen und Rohre, der Adern und Lebensnerven des Flugzeuges, fühlte er nach den Notschiebern, die im Falle eines Triebwerkbrandes den Treibstoffzufluß unterbrachen. Sie waren mit vier roten Zugknöpfen an der mittleren Armaturentafel in der Kanzel verbunden und von dort aus zu bedienen. Nacheinander befestigte Kolberg vier etwa meterlange Drahtenden, die er von der Spule abschnitt, an den Schiebern. Er zog sie über die Metallplatten des Bodenbelages und drehte aus ihren Enden kleine Schlaufen, die er in eine Flügelschraube links neben seinem Sitz einhängte, damit sie nicht zurückrutschen konnten. Niemand konnte sie entdecken; sie ragten nur wenige Zentimeter über den Bodenbelag heraus.
Probeweise zog er an den vier Drähten und griff dann
wieder nach den Klappen. Er konnte fühlen, daß die Schieber verriegelt waren. Darauf öffnete er sie wieder, sicherte die Drähte und legte die Bodenplatte auf ihren Platz zurück. An einem Fetzen Putzwolle wischte er sich sorgfältig die Hände ab und kletterte aus der Maschine. Um den Monteur nicht zu verärgern, schloß er die Einstiegklappe vorschriftsmäßig und ging, vor sich hin pfeifend, in sein Quartier.
Aus seinem Gepäck nahm er eine Karte der chinesischen Küstengewässer und schob sie zusammengefaltet in die Innentasche seines Jacketts. In der Schneiderei besorgte er sich ein paar Sterne, die er auf den Schulterklappen befestigte. Zuletzt reinigte er noch seine Pistole und steckte sie zusammen mit mehreren Reservemagazinen ein. Die Notverpflegung, einige Schachteln Zigaretten, Sturmstreichhölzer und
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