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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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obdachlos. - Nagoya war das nächste Ziel der Superbomber. Dann Osaka. Kobe.
    Kolberg erinnerte sich genau an den Tag, an dem die silbernen Riesenvögel über Kobe erschienen waren. Sie waren alle vom gleichen Typ wie die Maschine, die er jetzt flog. - Er sah sein zerstörtes Haus wieder vor sich.
    Als Kolberg auf der B-29 geschult worden war, hatte er noch nicht daran glauben wollen, daß man ihn jemals am Steuer dieses tödlichen Instruments ausschicken würde, um das zu tun, was den Namen der B-29 in der ganzen Welt berüchtigt gemacht hatte. Jetzt hatte er sich entschieden. Er wußte, daß sein Platz nicht mehr in jenem Geschwader sein konnte. Aber noch hatte er keine klare Vorstellung davon, wo er endlich den Platz finden würde, an den er gehörte, nach dem er sich sehnte. Sein Entschluß trieb ihn vorwärts und die Hoffnung, daß es zu Hause, in Deutschland, irgendwo das geben mußte, was er suchte: eine Arbeit für sich und Judith und eine Schule für seinen Jungen. Er wollte
    einen Platz finden, an dem er arbeiten konnte, an dem kein Mensch von ihm verlangte, daß er gegen sein Gewissen handelte, gegen die Überzeugung, daß es schlecht und verachtenswert war, Bomben auf Menschen abzuwerfen, die ihm, seiner zukünftigen Frau und dem Jungen nicht das geringste getan hatten.
    Der Gedanke an Bomben erinnerte ihn daran, daß die B-29 immer noch mit sechs Tonnen Sprengstoff belastet war. Er betrachtete die Karte. Unter ihm lag das Meer. Kurz entschlossen drückte er die Maschine. Der Höhenmesser ging langsam zurück. Kolberg richtete die Nase der B-29 erst auf, als er den dünnen Wolkenschleier durchstoßen hatte, der ihm die Sicht nach unten nahm. Dann klinkte er die Bombenlast aus.
    Er blickte nur einmal flüchtig hinab, als dort die riesigen Wasserfontänen aufstiegen, dann brachte er das Flugzeug wieder auf Höhe.
     
    *
    Als Judith Huang das Gebäude in der Graham Road verließ, dachte sie einen Augenblick lang über dieses seltsame Studio der Miß Lauffer nach. Sie hatte einige der Mädchen gesehen, die dort beschäftigt waren, und erinnerte sich, wie sie selbst aufgewachsen war. Sie schätzte sich glücklich, daß sie damals auf dem Kohlenplatz zu Schaufel und Kanteisen gegriffen hatte, statt in der Nangking Road auf entsprechend leichtere Art Geld zu verdienen, viel mehr Geld. Wenn die Einheimischen sich über solche Dinge unterhielten, dann sagten sie oft, die Fremden seien es gewesen, die jene Gegenden Asiens, in denen sie sich eingenistet hatten, in große Freudenhäuser verwandelten.
    Sie warf einen Blick auf den Zettel, den Luise Lauffer ihr gegeben hatte. »Zur Gasse der schwarzen Drachen«, gab sie dem Rikschafahrer Bescheid, in dessen wackliges Gefährt sie stieg. Er trug eine fast farblos gewordene dünne Hose und ein vom Schweiß zerfressenes Hemd. Der große Strohhut saß etwas schief auf seinem Kopf. Sie nickte ihm zu. »Fahr ab, ich habe es eilig.«
    Die abendlich belebten Straßen des Geschäftsviertels blieben bald hinter ihnen. Die Rikscha bog in das Gewirr der engen, stinkenden Gassen mit ihren unzähligen Kaufläden und Straßenhändlern, Küchen und Restaurants. Hierher kamen Europäer nur, wenn sie Fotos vom »echten, alten Hongkong« machen wollten oder wenn ein schwer zu durchschauender Handel sie in diese Gegend führte. Niemand schenkte der Rikscha mit ihrem Fahrgast besondere Aufmerksamkeit; hier fielen nur Europäer auf. Hunderte von Kindern trieben sich auf den Gassen herum, alte Männer hockten unbeweglich an den Häuserwänden, Frauen schürten das Feuer in den Kochstellen. Wäscheleinen waren von einem Fenster zum anderen gespannt, und über den Eingängen der Geschäfte hingen knallrote Seidenfahnen mit aufgenähten Schriftzeichen, die Auskunft über den Namen des Inhabers und sein Angebot gaben.
    Seitlich der Gassen führten lange Treppen hinauf in weitverzweigte Wohnviertel, die so unübersichtlich, so verwirrend angelegt waren, daß der Uneingeweihte sich nur schwer zurechtfand. An einer dieser Treppen hielt der Rikschamann schließlich sein Gefährt an und zeigte der Frau mit einer Handbewegung: »Da oben ist die Gasse, ein paar Schritte zu gehen.«
    Sie gab ihm zwei Dollar und trug ihm auf, sie zu erwarten. »Ich werde mit dir zurückfahren.«
    Rikschaleute waren an derlei Kunden gewöhnt. Zwei Dollar sind nicht so leicht zu verdienen. Also nickte der Mann eifrig, stellte sein Gefährt am Anfang der Treppe ab und hockte sich daneben.
    Judith fand den Mann, dessen Name

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