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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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auf dem Zettel stand, nach kurzem Suchen. Er war ein älterer Chinese, die Haare seines dünnen Kinnbartes hingen wie kostbare Silberfäden bis auf seine Brust. Er trug eine schwarze Kappe und ein langes, schwarzes Gewand aus Kaliko. Seine Wohnung lag im hintersten Abschnitt eines von vielen Höfen unterbrochenen einstöckigen Hauses. Sie bestand aus einer großen, mit schweren Möbeln ausgestatteten Stube, an deren Wänden Rollbilder hingen. Ein Perlenvorhang grenzte das Zimmer zum Hof hin ab, und ein weiterer verbarg den Eingang zu einem Nebenraum, in dem sich offenbar mehrere Leute aufhielten, denn ab und zu fielen ein paar Worte, klapperte ein metallenes Instrument.
    Der Chinese verneigte sich tief, als er gehört hatte, weswegen Judith kam. Es wäre nicht nötig gewesen, ihn nach den Pässen zu fragen, denn er hatte das Gesicht des Mädchens bereits wiedererkannt, daß er auf jener kleinen Fotografie gesehen hatte.
    »Eine Ehre, Sie empfangen zu dürfen, Mistreß Kolberg«, sagte er höflich. »Alles liegt für Sie bereit. In der besten Qualität, für die meine Erzeugnisse seit Jahrzehnten berühmt sind.« Der Mann lächelte schwach.
    Sie lächelte zurück, und der Chinese verschwand hinter dem Perlenvorhang im Nebenraum. Eine Weile blieb Judith allein, dann erschien der Fälscher wieder und legte zwei Pässe vor sie auf den Tisch. Sie trugen den bereits etwas verblichenen Aufdruck »Bundesrepublik Deutschland« und den Bundesadler. Als Judith sie aufschlug, sah sie in dem einen ihr Bild, der andere trug das Fred Kolbergs. Der Chinese tippte auf Kolbergs Paß und bemerkte höflich: »Wir haben alles so gemacht, wie es im hochverehrten Lande Deutschland üblich ist.« Er machte auf die Eintragung aufmerksam, die Bert betraf, dann wies er auf einige mit großen Stempeln und Unterschriften versehene Blätter. »Dieses sind die Visa für die Reise von Deutschland nach Hongkong. Und hier das Rückreisevisum. «
    Es gab nichts an den Dokumenten auszusetzen. Sie waren mit der Kunstfertigkeit des routinierten Fälschers hergestellt; selbst daran, daß sie ein wenig abgegriffen aussehen mußten, hatte der Mann gedacht. Judith steckte sie erleichtert ein. Der Chinese hatte einen kleinen Zettel auf den Tisch gelegt, auf dem der Preis stand. Er wartete geduldig, bis Judith ihn entdeckte, und beobachtete unbewegt, wie sie ihre flache Umhängetasche öffnete, das Geld herausnahm und auf den Tisch zählte. Er strich es ein, ohne es nachzuzählen. Seine Augen waren gut.
    »Ich hoffe, daß meine bescheidene Arbeit Ihnen Glück und Wohlstand bringt«, bemerkte er, als er den Perlenvorhang zum Hof ein wenig beiseite zog, um Judith hinauszulassen. Sie nickte ihm zu und sagte nur: »Danke.«
    Er sah ihr nach, bis sie verschwunden war, dann klatschte er in die Hände. Ein junger Mann erschien aus dem Nebenraum. Der Alte öffnete die Schublade eines reich mit Beschlägen verzierten Wandschrankes und entnahm ihm ein paar Fotokopien von den ersten Seiten der soeben verkauften Pässe. Er steckte sie in einen Briefumschlag; der weder Anschrift noch Absender trug, den er aber, nachdem er ihn verschlossen hatte, sorgfältig mit einem Druckstempel versiegelte. Dann übergab er ihn dem jungen Mann, der keine weiteren Anweisungen brauchte, denn er machte diesen Weg nicht zum erstenmal.
     
    *
    Im Hause des GeneraIkonsuls Otto Brautmann war es an diesem Abend ruhig. Das große Zimmer mit der Glasfront war von einigen Stehlampen matt erhellt. Otto Brautmann lehnte in einem tiefen Ohrensessel und las Zeitungen aus Deutschland. Seit einiger Zeit hatte seine Frau die Angewohnheit, sich nach dem Abendessen ein oder zwei Stunden der Wohlfahrtstätigkeit zu widmen. Insgeheim lächelte Brautmann darüber, aber es kam ihm gelegen, daß er auf diese Weise ungestörte Abende hatte, wenn nicht gerade irgendwo ein Empfang war. Mochte sie ruhig ihre Besuche in den drei Kinderheimen und dem halben Dutzend Waisenhäuser machen, die es in der Kolonie gab. Sie hatte sich auch in Deutschland während des Krieges oft genug bei der NSV betätigt, hatte Blumen in Lazarette getragen und Kakao in Papierbechern an Landser überreicht, die zur Front fuhren. Eine Frau mußte wohl solche Dinge tun, es lag in ihrer Natur. Die Frauen der anderen Botschafter taten es ebenso wie sie. Kürzlich wurde sie sogar in ein.er Zeitung lobend erwähnt. Sie hatte der Kinderabteilung eines Hospitals für Lungenkranke eine echte Schwarzwälder Kuckucksuhr geschenkt, und es erschien eine

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