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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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schob ihre Unterlagen zusammen.
    »Ach, doch.« Bruckmanns Augen leuchteten mit einem Mal auf. »Sie hatte eine Narbe. Am linken Unterarm. Oder war es der rechte?« Er runzelte die Stirn. »Nein, der linke. Eine kleine Narbe, sie ist beim Schlittschuhlaufen gestürzt.« Er sah Chris mit einem Mal aufgeregt an. »Das tote Mädchen hatte an dieser Stelle keine Narbe, stimmt’s?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte Chris steif. Der erwartungsvolle Gesichtsausdruck des Mannes schmerzte ihn. Es war, als schaue er in einen Spiegel. Er fing Lydias Blick auf und nickte. Für den Augenblick war das genug.
    »In Ordnung, Herr Bruckmann«, sagte Lydia. »Sie können jetzt gehen. Vorerst. Ich muss Sie jedoch bitten, sich zu unserer Verfügung zu halten.«
    Als Bruckmann weg war, nahmen sie sich den Obduktionsbericht vor. Von einer Narbe am linken Unterarm war keine Rede. Allerdings beschrieb Maren Lahnstein an der entsprechenden Stelle ein größeres Hämatom. Es war also möglich, dass sie die Narbe übersehen hatte.
    Es dämmerte bereits wieder. Doch wenigstens war es trocken, wenn auch eiskalt. Olaf Schwarzbach parkte den Wagen neben einer Grillhütte. Um diese Zeit waren hier keine Spaziergänger mehr zu erwarten, der Platz dürfte sicher sein. Den ganzen Tag hatte er Leonie gesucht, erst zu Fuß, dann mit dem Wagen, er war die Spazierwege abgefahren, hatte sich in immer größeren Kreisen um die Stelle bewegt, wo sie ausgestiegen und weggerannt war. Er war heiser, so oft hatte er ihren Namen gerufen, seine Augen brannten, so konzentriert hatte er die Umgebung abgesucht.
    Immer wenn Spaziergänger auftauchten, hatte Olaf sich schnell versteckt oder rasch das Seitenfenster hochgefahren und eine Miene aufgesetzt, als hätte er im Wald einem offiziellen Auftrag zu erledigen. Glücklicherweise war er niemandem zweimal begegnet. Das hätte bestimmt Misstrauen hervorgerufen.
    Leonie blieb verschwunden. Doch er hatte im Radio gehört, dass nach wie vor nach ihnen beiden gefahndet wurde. Also irrte auch sie noch herum. Wo steckte sie bloß? Warum war sie überhaupt weggelaufen? Eine eiserne Klammer legte sich um seine Brust, raubte ihm die Luft zum Atmen. Leonie! Bitte, komm zurück! Ich werde dich nicht mehr anschreien, ich verspreche es!
    Olaf schloss für einen Moment die brennenden Augen. Er musste seine Tochter finden. Ihnen stand eine eisige Nacht bevor. Wenn Leonie sie im Freien verbrachte, wäre das ihr sicherer Tod. Nicht dass das noch etwas ausmachte. Er lachte bitter. Sie würde ohnehin sterben. Sie beide würden sehr bald sterben. Doch die Vorstellung, dass seine kleine Tochter irgendwo allein dort draußen im Dunklen hockte und vor Angst und Kälte zitterte, drückte ihm die Luft ab. Er keuchte, fuhr sich mit zitternden Fingern über die Stirn, die nass war vom kalten Schweiß. Er wollte bei ihr sein, wenn sie aus dem Leben schied, sie in seinen Armen halten und trösten. Genau so, wie er es geplant hatte. Deshalb hörte er nicht auf, sie zu suchen.
    Aber zuerst musste er noch etwas erledigen. Olaf öffnete die Augen, holte tief Luft, atmete gegen den stechenden Schmerz in seiner Brust an. Es half, ein wenig zumindest. Er stieg aus und öffnete den Kofferraum. Die beiden Kartons hatte er vorgestern in aller Eile gepackt. War das wirklich erst zwei Tage her? Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Wie in einem anderen Leben. Er hievte die Kartons aus dem Kofferraum und stellte sie nebeneinander auf den festgetretenen Boden der Lichtung. Er lauschte. Alles war still. Keine Spaziergänger mehr unterwegs. Er kannte die Gegend inzwischen gut. Das nächste Haus war über einen Kilometer entfernt. Die Autobahn noch ein Stück weiter. Der richtige Ort. Trotzdem war es möglich, dass jemand die Flammen oder den Rauch sah und die Feuerwehr alarmierte. Er musste auf der Hut sein und dafür sorgen, dass alles sofort Feuer fing. Wenn die Kartons erst einmal vernichtet waren, war die letzte Brücke zur Vergangenheit abgebrochen. Dann war er frei.
    Es dauerte länger, als er dachte, bis die Pappe Feuer fing. Er überlegte bereits, wie er etwas Benzin aus dem Tank saugen könnte, um das Feuer zu beschleunigen, als die ersten Flammen hochschossen. Sofort breitete sich eine lähmende Hitze aus. Olaf trat einen Schritt zurück. Das Feuer knisterte und zischte. Ein Funkenregen stob auf, ein Foto segelte vor seine Füße. Es zeigte Melanie und Leonie zwischen den Dünen am Strand von Dänemark. Ein Bild aus besseren Zeiten, als sie

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