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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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sich noch leisten konnten, in Urlaub zu fahren. Leonie war vielleicht zwei oder drei, sie hielt eine Sandschaufel in die Luft und lachte fröhlich in die Kamera. Sie sah aus wie ein normales Kind, nur ihr schmales Gesicht deutete darauf hin, dass sie gerade wieder eine langwierige Krankheit überstanden hatte.
    Olaf schubste das Foto mit dem Fuß in die Flammen. Nein. Kein Bild aus besseren Zeiten. Die Wahrheit war, dass es nie bessere Zeiten gegeben hatte. Die Krankheiten hatten immer wie drohende Wolken über ihnen gehangen, erst Svenjas Krankheit und dann Leonies Krankheit. Leonies Krankheit, die in Wirklichkeit Melanies Krankheit gewesen war. Er suchte einen Stock und schob damit die glimmenden Überreste zusammen. Das Feuer war bereits im Begriff zu verlöschen. Die Erinnerungen vieler Jahre, zu Asche geworden in wenigen Minuten.
    Hinter Olaf im Wald knackte es. Er hielt in der Bewegung inne und lauschte. Alles war still, doch er spürte, dass jemand da war. Es musste Leonie sein. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Sein Herz hämmerte wild, drohte, die eiserne Klammer um seine Brust zu sprengen. Jetzt wurde doch noch alles gut.
    Er drehte sich um.
    »Komm ans Feuer«, sagte er mit sanfter Stimme in die Dunkelheit. »Hier ist es schön warm.«
    Einen Moment lang geschah nichts. Dann trat sie zwischen den Stämmen hervor. Sie sah aus wie ein Geist, dürr und bleich, ihr Gesicht schien sich in den verlöschenden Flammen zu immer neuen Fratzen zu verzerren.
    »Ich habe Hunger«, sagte sie leise.
    Er legte den Arm um ihren kalten mageren Körper. »Ich habe Kakao im Auto. Und Kekse. Wir machen es uns gemütlich.« Sanft strich er ihr über das Haar. »Eine Nacht noch, dann wird alles gut.«
    Lydia fuhr erschrocken hoch. Schläfrig blinzelte sie ins Dämmerlicht. Draußen dunkelte es bereits wieder, Salomon saß nicht an seinem Platz. Sie musste eingenickt sein. Auf der Uhr an ihrem Rechner war es zwanzig nach vier. Lydia erhob sich. Etwas drang in ihr Bewusstsein, ein Geräusch, das sie geweckt hatte, ein Rascheln.
    Ruckartig wandte sie sich um und blickte zur Tür. Auf dem Fußboden lag etwas Weißes. Verfluchter Mist! Augenblicklich war Lydia hellwach. Sie sprang auf und schnappte sich das Blatt. Wieder ein von Hand zurechtgeschnittener Ausdruck im DIN-A5-Format.
    Ich warne dich, Lydia Louis. Dein Sturz wird tief sein.
    Lydia schüttelte ungläubig den Kopf. Was für ein melodramatischer Blödsinn. Gerade wollte sie das Blatt in Fetzen reißen, als Salomon hereinkam.
    Er stockte, als er sie sah. »Was ist passiert?«
    Wortlos reichte sie ihm das Blatt.
    Er las und schüttelte den Kopf. »Was ist denn das für ein Schwachsinn? Woher hast du das?«
    »Hat irgendwer unter der Tür durchgeschoben. Das ist Botschaft Nummer zwei. Am Sonntag habe ich schon eine gefunden: Hochmut kommt vor dem Fall .«
    »Ach, deshalb hast du mich danach gefragt.« Er drehte das Blatt um, als wäre auf der Rückseite des Rätsels Lösung zu finden. »Hast du eine Ahnung, von wem das sein könnte?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Mir fällt nur Hackmann ein. Aber eigentlich passt das nicht zu ihm, oder?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Salomon nachdenklich. »Der Kerl ist unberechenbar. Willst du der Sache auf den Grund gehen?«
    Lydia winkte ab. »Nein. Ich habe vor, diesen Mist zu ignorieren.«
    Salomon gab ihr den Zettel zurück. »Es gibt doch nichts … ich meine, es kann doch niemand etwas gegen dich in der Hand haben, oder?«
    »Wie meinst du das?«, fauchte sie ihn an.
    Er hob die Hände. »Sorry, ich wollte dir nichts unterstellen, ich wollte nur wissen, ob diese Person dir Schaden zufügen könnte, ob wir besser etwas unternehmen sollten.«
    »Etwas unternehmen? Wir?«, fragte Lydia mit schneidender Stimme. Dieser Idiot wollte sich doch wohl nicht als ihr Retter aufspielen! Den edlen Ritter konnte er bei seiner Sonja raushängen lassen, die brauchte seine Hilfe vielleicht. Wie gut, dass sie ihm nicht auch von der Flasche erzählt hatte! »Keine Sorge, du musst nichts unternehmen. Und ich ebenfalls nicht.« Sie zerriss das Blatt und ließ die Schnipsel in den Papierkorb regnen.
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Dann ist ja alles bestens.«
    »Leider kann man das nicht über unseren Fall sagen.«
    Salomon nickte. »Uns fehlt ein entscheidendes Puzzleteil.«
    »Ich glaube eher, dass das Teil vor unserer Nase liegt und wir es nicht sehen.« Lydia machte eine vage Handbewegung, die sämtliche Papierstapel auf ihrem Schreibtisch

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