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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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noch zu klein.« Bruckmann fuhr sich durch das Haar, die Augen hinter den Brillengläsern schimmerten feucht. »Ich hätte besser auf sie aufpassen, hätte auf mein Gefühl hören sollen. Ich habe Toni mehr Freiheiten gelassen, als gut für sie war.«
    »Toni ist zu Hause gestorben«, erinnerte ihn Chris. »Nicht irgendwo da draußen in der großen Stadt.«
    Bruckmann starrte ihn an.
    »Danke, dass Sie mich darauf hinweisen«, sagte er bitter.
    Chris schluckte. In dem Augenblick hätte er geschworen, dass Michael Bruckmann nichts mit dem Tod seiner Tochter zu tun hatte. Dass seine Verzweiflung und sein Leid echt waren.
    »Ich wollte damit nur sagen, dass sie nicht starb, weil Sie sie allein in die Stadt haben fahren lassen.«
    Bruckmann antwortete nicht.
    Chris wurde plötzlich wütend. Bruckmanns Selbstmitleid ärgerte ihn. Er hatte zumindest Gewissheit, konnte seine Tochter beerdigen, von ihr Abschied nehmen. Und wer weiß, vielleicht wusste er sogar, wie sie gestorben war. Er wäre nicht der erste Täter, der überzeugend den trauernden Hinterbliebenen spielte. Chris richtete sich auf. Es geht hier nicht um Anna und dich, ermahnte er sich. Mach deinen Job! Obwohl er versuchte, sich zusammenzureißen, fiel seine nächste Bemerkung nicht so professionell wie beabsichtigt aus. »Es scheint Dinge im Leben Ihrer Tochter gegeben zu haben, von denen Sie nichts wussten.«
    Bruckmann öffnete den Mund, doch er schwieg.
    »Geheimnisse«, fuhr Chris fort. »So wie diese neue Freundin, Leonie, von der Sie angeblich noch nie gehört haben. Es ist möglich, dass eins dieser Geheimnisse ihr den Tod gebracht hat.«
    Maren Lahnstein schaltete die Schreibtischlampe an. Draußen wurde es bereits dunkel. Außer ihr hielt sich niemand mehr im rechtsmedizinischen Institut auf, schließlich war es Samstagnachmittag. Die meisten ihrer Kollegen hatten etwas Besseres zu tun, verbrachten Zeit mit ihrer Familie, mit Weihnachtseinkäufen oder Plätzchenbacken. Maren hatte keinerlei Pläne für den Tag. Vor ein paar Wochen noch hatte sie gehofft, ihre Freizeit demnächst öfter in angenehmer Gesellschaft zu verbringen. Ihre Freundschaft mit Klaus Halverstett – wenn man es so nennen konnte – war enger geworden. Sie waren sich nahegekommen. Nie zuvor war sie einem Mann begegnet, den sie für so aufrichtig und integer hielt. An dessen Seite sie sich so verstanden fühlte. Und dann hatte er einen Rückzieher gemacht. Dabei warf sie ihm nicht einmal vor, dass er es noch einmal mit seiner Frau versuchen wollte. Im Gegenteil, sie schätzte ihn umso mehr. Aber dass er jeglichen privaten Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, verletzte sie zutiefst. Er hatte ihr gesagt, dass das die Bedingung seiner Frau sei, aber das machte es nicht besser. Im Gegenteil, sie fühlte sich doppelt zurückgewiesen.
    Umso tiefer hatte sie sich in den letzten Wochen in die Arbeit gestürzt, hatte bis spät in die Nacht über dem Mikroskop gehockt und Gewebeproben gesichtet, hatte unaufgefordert Untersuchungen an Leichen durchgeführt. Zwischenmenschliche Kontakte hatte sie auf ein Minimum reduziert, sie kosteten zu viel Kraft. Auch wenn sie versuchte, alle Kollegen zuvorkommend zu behandeln, beschränkte sie sich auf das Nötigste. Häufig war sie kurz angebunden, sogar schnippisch. Am wohlsten fühlte sie sich, wenn sie das Institut für sich allein hatte. Ihre Arbeit schien die einzige verlässliche Größe in ihrem Leben zu sein, und diese Erkenntnis verbitterte sie. Halverstett war nicht der erste Mann, der sie zurückgewiesen hatte, doch er war der erste, bei dem es so wehtat.
    Maren zog die Tastatur des Computers zu sich heran und rief den vorläufigen Bericht zum Tod von Antonia Bruckmann auf. Rasch überflog sie den Text. Sie seufzte. Vielleicht jagte sie Gespenster. Zumindest glaubte ihr Kollege das. Er hatte ihre Beobachtung mit einem Achselzucken abgetan. Zu ungesichert, hatte sein Kommentar gelautete. Zu unspezifisch.
    Aber sollte man nicht gerade beim Tod eines Kindes jedem noch so kleinen Hinweis nachgehen? Ihr hatte die Sache jedenfalls keine Ruhe gelassen, und so war sie nach dem Frühstück zur Universität gefahren, um sich Gewissheit zu verschaffen. Sie hatte ohnehin nichts Besseres vorgehabt. Einen eindeutigen Befund hatte sie zwar immer noch nicht, doch das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung war interessant. Und es hatte sie nachdenklich gestimmt. Wäre das Opfer ein älterer, übergewichtiger Mann gewesen, hätte sie der Sache keine große

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