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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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klingeln und ziemlich lange warten, bis ein übernächtigt aussehender Olaf Schwarzbach ihr öffnete.
    »Ich habe Ihnen doch gestern Abend schon gesagt, dass meine Tochter krank ist.«
    »Dann lassen Sie mich wenigstens mit Ihrer Frau sprechen.«
    Schwarzbach rührte sich nicht. »Sie weiß auch nichts.«
    Aus dem Haus drang eine Stimme. »Wer ist denn da, Olaf?«
    »Niemand.«
    »Frau Schwarzbach!«, rief Lydia über Schwarzbachs Schulter. »Ich müsste Sie dringend sprechen. Es geht um Leonie.«
    Sofort waren Schritte zu hören, und Olaf Schwarzbach trat zur Seite, nicht ohne Lydia einen wütenden Blick zuzuwerfen. Eine Frau in einem engen Strickrock und mit hellblauer Bluse kam auf sie zu. Trotz der schicken Aufmachung wirkte sie ungepflegt, was wohl an ihrem blassen Gesicht und den kurzen ungekämmten Haaren lag.
    »Mein Name ist Lydia Louis«, sagte Lydia. »Kripo Düsseldorf. Ich müsste Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    »Was ist mit Leonie?«
    Erst jetzt bemerkte Lydia, dass das Gesicht der Frau sich angstvoll verzerrt hatte. Wenn Leonie krank in ihrem Bett lag, musste Melanie Schwarzbach sich wohl kaum Sorgen machen, weil die Polizei klingelte. Also hatte Schwarzbach gelogen. Leonie war nicht zu Hause.
    »Ich muss Ihre Tochter als Zeugin befragen, das ist alles«, sagte Lydia rasch. »Kann ich vielleicht reinkommen?«
    Melanie Schwarzbachs Züge entspannten sich, nur um sogleich wieder einen leidenden Ausdruck anzunehmen. »Sie ist nicht da.«
    »Dann würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
    »Nun kommen Sie schon rein«, brummte Olaf Schwarzbach und ging voran. Diesmal führte er sie in die Küche. Die Einbauschränke schienen hochwertig, aber mindestens zwanzig Jahre alt. Das Gleiche galt für die Essecke.
    Lydia setzte sich und kam ohne Vorrede zur Sache. »Kennen Sie eine Antonia Bruckmann?«
    »Ist das nicht das Mädchen, das die Treppe hinuntergestürzt ist? Ich habe davon im Radio gehört.«
    »Ja, genau die. Kannten Sie sie?«
    »Nein. Natürlich nicht.« Die Frau blickte Lydia offen ins Gesicht, sie wirkte arglos.
    »Sie war mit Ihrer Tochter befreundet.«
    »Mit Leonie?« Melanie Schwarzbach riss überrascht die Augen auf. »Nein. Bestimmt nicht.« Sie ließ sich ebenfalls auf einem Stuhl nieder, während ihr Mann bei der Tür stehen blieb. »Wer behauptet das denn? Hat diese Antonia nicht irgendwo am anderen Ende der Stadt gewohnt?«
    Lydia ging nicht auf ihre Fragen ein. »Und Nora? Kennen Sie eine Nora?«
    Melanie Schwarzbach schüttelte den Kopf. »Soll die auch mit Leonie befreundet sein?«
    »Ja. Noras Oma wohnt gleich hier um die Ecke. Angeblich haben die Mädchen sich kennengelernt, als Nora und Toni dort zu Besuch waren.«
    Melanie Schwarzbach betrachtete ihre Hände.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte sie leise. »Leonie spielt nicht sehr oft auf der Straße. Sie ist viel krank, wissen Sie?« Ihre letzten Worte klangen gequält, ihre Schultern sackten zusammen.
    Lydia blickte zu Olaf Schwarzbach hoch, der mit zusammengekniffenen Lippen aus dem Fenster starrte.
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Bei Freunden.« Schwarzbach trat an den Tisch. »Sie ist bei Freunden auf dem Land, um ein bisschen zu Kräften zu kommen.«
    »Was hat sie denn?«
    Lydia sah Melanie an, doch erneut antwortete Olaf Schwarzbach anstelle seiner Frau.
    »Das ist nicht ganz klar. Sie hat häufig Magen-Darm-Beschwerden, hat Kopfschmerzen, muss sich erbrechen.«
    Lydia horchte auf. Noch ein Mädchen mit Kopfschmerzen und Magenproblemen. War das normal bei dem Stress, dem schon kleine Kinder heutzutage ausgesetzt waren, oder ein merkwürdiger Zufall? »Ich brauche die Adresse dieser Freunde.«
    »Wozu?«, schnauzte Olaf Schwarzbach sie an.
    Seine Frau zuckte zusammen und presste die Hände vor das Gesicht.
    »Ich möchte ihr lediglich die gleichen Fragen stellen wie Ihnen. Sie wollen doch nicht die Ermittlungen der Polizei in einem Mordfall behindern?« Lydias letzte Bemerkung war ein billiger Taschenspielertrick, auf den sie nicht besonders stolz war, doch er verfehlte seine Wirkung nicht.
    Olaf Schwarzbach wandte sich zur Tür. »Kommen Sie«, sagte er. »Ich gebe Ihnen die Adresse. Aber regen Sie das Kind nicht unnötig auf.«
    Lydia erhob sich und folgte ihm. Bevor sie die Küche verließ, warf sie einen letzten Blick auf Melanie Schwarzbach, die immer noch die Hände vor das Gesicht gepresst hatte. Lydia fiel der kleine Altar im Wohnzimmer ein. Diese Frau hatte bereits ein Kind verloren.

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