Die Weiterbildungsluege
aus und stornierte das Hotel. Begründung: Reise nach Wien. Getrieben vom Daily Business hat natürlich jeder Verständnis für
eine Geschäftsreise. Auf Nachfrage, was er in Wien mache, sagte er offenherzig: »Ich habe Hochzeitstag und meine Frau wollte
unbedingt etwas mit |66| mir unternehmen.« Muss ich erwähnen, dass das Offsite-Meeting nicht mehr stattfand und für die Mitarbeiter diese Erfahrung
nur ein Mosaiksteinchen von vielen war? Sein Chef versuchte es weiter, ihn zu ändern. Deshalb bekam er ein teures Einzelcoaching.
»Ich soll an meiner Zielstrebigkeit arbeiten, aber das Problem ist doch, dass mein Chef …«, meinte er gegenüber dem Coach.
Einsicht gleich null – dafür aber viele Euros durch Training und Coaching verbrannt.
Danke Kündigungsschutzgesetz:
Faulpelze kann man kaum loswerden
Deutsche Unternehmen versuchen mit Weiterbildung die natürlichen Grenzen der Mitarbeiter zu überwinden, weil ihnen das Kündigungsschutzgesetz
keine andere Wahl lässt. Im Amtsdeutsch von 1951 heißt es im Paragraph 1, Absatz 1: »Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
(...) ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.« 28 Damit sie gerechtfertigt ist, braucht es gute Gründe, »die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen,
oder durch dringende betriebliche Erfordernisse zustande kommen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem
Betrieb entgegenstehen« 29 . Meistens reichen die Gründe nicht. Der Notbehelf besteht im vielzitierten Koffer voll Geld, um jemanden zu einem Aufhebungsvertrag
zu bewegen. Doch zum einen sind natürlich die Mittel begrenzt und zum anderen springt nicht jeder darauf an.
Eine bittere Erfahrung machte der Abteilungsleiter eines Lagers. Er hatte mehrere Schichtmanager, die den Betrieb und die
gut 70 Lagermitarbeiter führten. Einer dieser Schichtmanager, nennen wir ihn Peter Strohe, war seit etwa 13 Jahren im Unternehmen.
In den letzten Jahren hatte sich nun die Führungskultur geändert. Früher galt der Wert: »Wir sind eine große Familie. Jeder
ist gut und wir tun uns gegenseitig nichts.« Nun war die Erwartung an die Führungskräfte, sehr klar und straight zu führen.
Vorbei die |67| Zeiten, in denen Gehaltserhöhungen mit der Gießkanne über alle ausgeschüttet wurden und Faulpelze im Sozialnetz abhingen.
Peter Strohe gehörte, wie erwähnt, zur alten Führungsgeneration. Die Mitarbeiter liebten ihn. Er war immer nett und fürsorglich.
Kein strenges Wort. Typ gutmütiger Onkel. Seine Führungskollegen waren noch nicht so lange im Unternehmen und verkörperten
den neuen Stil. Die Mitarbeiter mochten diese Führungsgarde verständlicherweise nicht so sehr. Der Abteilungsleiter investierte
viele Tage Training in Peter Strohe, um ihm eine reelle Chance zu geben. Nach einem Jahr war ihm klar, dass bei ihm die natürlichen
Grenzen für die neuen Anforderungen gegeben waren. Er setzte in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung den Prozess in Gang,
um sich von Strohe zu trennen. Als er die vollzogene Entscheidung schließlich offiziell vor der Belegschaft verkündete, brach
bei den Mitarbeitern eine Welt zusammen. Die Antwort war eine Petition mit etwa 60 Unterschriften an die Geschäftsführung,
Strohe nicht zu kündigen. Dennoch wurde er freigestellt. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Strohe klagte gegen
den Arbeitgeber und musste wieder eingestellt werden. Es fand sich zwangsläufig auch ein Job für ihn. Triumph ja, aber glücklich?
Ein Vorgesetzter, der so etwas erlebt hat, ist von Trennungsabsichten erst mal geheilt. Die Lage ist in der Regel auch deshalb
aussichtslos, weil man gerade bei großen Unternehmen unterstellt, dass sie aufgrund ihrer Größe in jedem Fall für einen Mitarbeiter
eine entsprechende Stelle haben, wenn es am alten Arbeitsplatz nicht funktioniert. Die Hoffnung versprechende Formulierung
heißt »interne Versetzung«. Doch so einfach ist das auch nicht. Es muss wie bei einer Kündigung sehr genau dokumentiert und
nachgewiesen werden, warum eine Versetzung erforderlich ist. Und zu guter Letzt muss sie im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter
erfolgen. Wenn er also partout nicht will, bleibt er an dem Arbeitsplatz, wo er ist. Ein Mitarbeiter, der einer Versetzung
zustimmt, hat es aber auch nicht leicht. In der Realität wird gern das »Schwarze-Peter-Spiel« veranstaltet. Führungskräfte
wissen in der Regel sehr |68| schnell, welche
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