Die Weiterbildungsluege
womöglich völlig ahnungslos
eine Waschmaschine gekauft. Sein Redetempo erlaubte ihm, pro Minute zwei Folien abzuarbeiten. Natürlich blieb dabei keine
Zeit, Blickkontakt zu den Teilnehmern zu halten. Einige von ihnen hatten ohnehin schon das Zeitliche gesegnet – zumindest
symbolisch gesehen. Sie waren totgeredet worden. Andere versuchten noch tapfer, den Anschluss an den sprechenden Eilzug zu
behalten. Verstanden aber nur Bahnhof. Das lag wohl auch daran, dass Herr Tatting seine Folien selbst nur zum Teil kannte.
Immer wieder musste der Marketing-Abteilungsleiter seine Folien erst mal selbst kurz durchlesen, um zu verstehen, was er gleich
zu erzählen hatte. Dann kehrte er aber ungebrochen in seinen unermüdlichen Redefluss zurück. Insider wussten, dass Herr Tatting
schon diverse Rhetorikschulungen und Präsentationstrainings durchlaufen hatte. Die Durchschlagskraft fehlte jedoch. Seine
Managementkollegen hatten sich mit seiner Art zu präsentieren mittlerweile abgefunden. Denn immer wenn sie ihm zu verstehen
gaben, dass er sich durch seinen Redestil der eigenen Wirkung beraubte, meinte Herr Tatting sehr verständnisvoll und entschuldigend:
»Sie haben ja so recht. Ich habe das Thema voll auf dem Radar.«
|71| Ich kannte ihn aus einem Training. Er meinte, was er sagte. Tat aber nichts. Es ging ja auch so irgendwie. Die Leute verstanden
ihn trotzdem. Und da sind wir beim menschlichsten aller Punkte, warum Weiterbildung nicht fruchtet. Der Mensch ist von Natur
aus ein ökonomisches System. Er versucht, mit möglichst minimalem Energieaufwand in der Welt zurechtzukommen. Deshalb bildet
der Mensch auch Gewohnheiten aus. Wäre das nicht der Fall, wäre unser Leben wie im Film
Und täglich grüßt das Murmeltier
. Wir müssten jeden Tag neu erlernen, wie man die Zahnbürste hält, dass man den Finger nicht in die Steckdose steckt oder
welche höflichen Umgangsformen gelten, wenn man zu einem Abendessen eingeladen wird. Kurzum: Es ist gut, dass der Mensch Gewohnheiten
ausbildet. Diese halten sich dann aber auch sehr hartnäckig. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang von der persönlichen
Komfortzone. Sie meinen damit den Bereich, in dem sich ein Mensch sicher und wohlbehalten fühlt. Darin kennt er sich aus.
Er weiß, was gut und was schlecht ist. Die Komfortzone gibt ihm das Gefühl von Vertrautheit, Sicherheit und Stabilität. Manche
Menschen lieben ihre Komfortzone so heiß und innig, dass sie trotz größter Leiden lieber darin verharren. Denn in dem Moment,
wo ein Mensch seine Komfortzone verlässt, begibt er sich in ein neues Terrain. Er braucht neue Strategien und Verhaltensweisen.
Das ist anstrengend. Außerdem weiß er nicht, ob sich der Aufwand lohnt oder ob man scheitert. Warum dann also etwas ändern?
Es läuft ja. Wandel ist harte Arbeit, braucht Disziplin und Durchhaltevermögen. Jeder, der eine Sportart betreibt, weiß, wie
viel Energie, Zeit und Einsatz es braucht, bis sich neue Gewohnheiten bilden oder man sich falsche Angewohnheiten wieder abgewöhnt
hat. Genauso ist es mit dem Erwerb von Wissen. Die Lernpsychologie belegt mit eindrucksvollen Forschungsbefunden, wie schnell
wir Informationen wieder vergessen. Und so bringt ein weiser Spruch auf den Punkt, weshalb Weiterbildung ihr Geld nicht wert
ist: Die Bereitschaft des Menschen, Mängel zu ertragen, ist größer als seine Bereitschaft, Mängel abzustellen.
|72| Berühmt-berüchtigt: Der innere Schweinehund
Heerscharen von Psychologen, meterweise Bücher sowie zig Trainer und Personalentwickler haben ihm den Kampf angesagt. Er ist
das am meisten gejagte Tier. Nur seine Robustheit hat es bisher vor dem Aussterben gerettet. Die Rede ist vom Schweinehund.
Genauer gesagt vom inneren Schweinehund. Eine Spezies, die in den Jahrtausenden der Evolution immer überlebt hat. Der innere
Schweinehund tritt als Stimme im Kopf in Erscheinung, die sagt: »Ich habe keine Lust, etwas zu verändern. Und wer weiß, ob
es sich wirklich lohnt, den ganzen Aufwand zu betreiben.« Er tritt auch immer dann auf den Plan, wenn man doch etwas Neues
ausprobiert und es nicht gleich klappt. Es gibt Rückschläge. Man ist enttäuscht. Neue Verhaltensweisen fühlen sich auch noch
irgendwie falsch an, unpassend oder nicht zur eigenen Person zugehörig. Es gibt einen natürlichen Reflex, wieder in alte Verhaltensmuster
zurückzufallen. Warum sich weiterplagen, wenn es so schwierig ist? Kurz: Der innere
Weitere Kostenlose Bücher