Die Weiterbildungsluege
Mitarbeiter sich gern ins bequeme Nest setzen. Natürlich sind irgendwann die Karten neu gemischt und einer
hat verschlafen, konsequent »Nein« zu sagen. Da bleibt dann nur eine Lösung: Weiterbildung. In den meisten Fällen würden sich
Chefs gern von Mitarbeitern trennen, die ihre Einstellungen nicht ändern beziehungsweise – gemäß dem Peter-Prinzip 30 – auf der Stufe ihrer größten Unfähigkeit angekommen sind. Doch deutsche Gesetze machen ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Große Unternehmen lösen dieses Problem vielfach mit sogenannten Lumpensammler-Abteilungen. Sie sind die Sammelbecken für solche
Mitarbeiter, die keiner braucht, die man aber auch nicht loswerden kann. Sie entstehen häufig nach internen Umstrukturierungen,
wenn die Rollen und Prozesse neu sortiert werden. Natürlich wird versucht, aus diesem Pool interne Stellen zu besetzen, wie
es einst ehemaligen Telefonauskunftmitarbeiterinnen erging. Doch im betrieblichen Alltag gibt es einfach auch Leute, mit denen
man nichts anfangen kann. Dann ist der letzte Ausweg der Einsatz in der Putzkolonne. So erging es einem 29 Jahre alten Junggesellen.
Ursprünglich arbeitete er als Schlosser in der Produktion. Sein Alkoholabsturz führte dazu, dass er versetzt werden musste.
Steuerungs- und Fahrtätigkeiten waren nicht mehr möglich. Doch auch die Putzkolonne überforderte ihn. Bis zu seiner Entgiftung
musste sich ein Vorarbeiter um ihn kümmern: »Der Mann ist so müde, wenn du dem die Arbeit zeigst, ist der nach drei Minuten
manchmal im Stehen eingeschlafen.« Obwohl er laut Arzt körperlich gesund war, konnte der 29-Jährige nicht wirklich eingesetzt
werden. Da er seine Arbeit nicht richtig erledigte, kam es zu Konflikten im Team. Zum anderen war er trotz Warnweste eine
ständige Gefahr für sich und andere. Denn über das Firmengelände donnerten regelmäßig die Lastkraftwagen. Die meisten davon
fuhren zu schnell, um das Zone-30-Schild zu sehen.
Das deutsche Arbeitsrecht treibt schon manch seltsame Blüten. Betriebsräte sehen so etwas naturgemäß ganz anders. Wobei böse
Zungen behaupten, dass im Betriebsrat genau die Leute sitzen |69| , die auch ihre natürlichen Grenzen erreicht haben, aber dem Unternehmen durch ihre Wahl in das Gremium ein Schnippchen schlagen.
Führungskräfte und Personalleute kennen die Debatten mit dem Betriebsrat, wenn das Schicksal eines Mitarbeiters zur Diskussion
steht. Am Mitbestimmungsrecht bei Versetzungen und Kündigungen führt kein Weg vorbei, wie uns das gute alte Betriebsverfassungsgesetz
lehrt. Und qua Amt kämpft der Betriebsrat natürlich für jeden Mitarbeiter. Doch worin liegt der Gewinn, wenn jemand im Unternehmen
bleibt, aber seinen Job nicht macht oder machen kann – aus welchen durchaus nachvollziehbaren Gründen auch immer? Für den
Angestellten ist es sicher von Vorteil, denn er kann sein Reihenendhaus abbezahlen. Aber was erhält die Firma als Gegenleistung
für dessen monatlich und pünktlich zu zahlendes Gehalt?
Angesichts dieser Verhältnisse kann man nur nochmals sagen: Glückliches Dänemark. Der Kündigungsschutz ist dort weitgehend
abgeschafft. Arbeitgeber können sich jederzeit von Mitarbeitern trennen. Kritiker werden jetzt sagen: Da ist was faul im Staate
Dänemark. Anscheinend nicht, wenn man Berichten aus dem Land der Wikinger glaubt. In einem Bericht der
Tagesthemen
war zu hören, dass etwa ein Viertel aller Dänen einmal im Jahr den Arbeitsplatz verliert. Eine Katastrophe bedeutet der Jobverlust
aber nicht. Wer gekündigt wird, erhält bis zu anderthalb Jahre lang 90 Prozent seines letzten Gehalts. 31 Das aber ist nicht das Entscheidende. Die Wirtschaft honoriert dieses Modell mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wie zu
Beginn des Kapitels erwähnt, ist die Erwerbslosigkeit nur halb so hoch wie in Deutschland. 32 Ein Firmenchef bringt noch einen anderen Vorteil auf den Punkt: »Dann geht man eben woanders hin und sucht sich einen neuen
Job und vielfach passiert es, dass man da viel besser reinpasst.« 33 In Dänemark braucht man also nicht Geld in sinnloser Weiterbildung zu verbrennen, nur weil die Alternativen fehlen.
70
90
70
90
true
|70| Kapitel 3
Es läuft ja
Der bequeme Alltagstrott
Die Folienschlacht tobte. Aus den hinteren Reihen war das Kleingedruckte nur mit Mühe zu entziffern. Nur gut, dass es kein
Vertrag war, den Herr Tatting vorne über den Beamer an die Leinwand projizierte. Sonst hätte man
Weitere Kostenlose Bücher