Die Weiterbildungsluege
Angaben zu Zeit, Ort, Dauer und zwei Sätze zum Inhalt. »Wir wünschen Ihnen einen
erfolgreichen Veranstaltungsverlauf und verbleiben mit freundlichen Grüßen. Ihre Personalentwicklung.« Für das Auge des Betrachters
ergeben sich gleich mehrere Fragen: Wer hat dieses Training wann angekündigt? Wieso soll ich moderieren lernen? Wie soll ich
das noch zeitlich unterbringen? Das ist bereits in zwei Wochen. Ein Anruf bei der Personalentwicklung ergibt, dass der Vorgesetzte
dazu hätte informieren sollen. Apropos Vorgesetzter. Lange nicht mehr gesehen. Man arbeitet zwar in einer Abteilung, aber
es gibt nicht viele Berührungspunkte. Zumal er oft unterwegs ist. Also schreibt der Mitarbeiter eine Mail mit seinen Fragen.
Bald kommt die Antwort: »Hatte ich Ihnen das nicht gesagt? Sorry. Ich habe Sie als Moderator im Rahmen unseres internen Kulturprojektes
vorgesehen. Da sind im Hause diverse Workshops zu leiten. Gehen Sie mal zum Seminar, da erfahren Sie alles Nähere. Gruß Müller.«
Im Mitarbeiter formieren sich erste Ausflüchte. Er könnte sich krank melden. In seinem Bauch grummelt es. Anscheinend eine
aufkommende Magen-Darm-Grippe. Dazu gesellen sich einige nervöse Anzeichen. Er hat noch nie eine Workshop-Gruppe geleitet,
höchstens mal eine Besprechung. Dann kommt ein positiver Gedanke: Vielleicht kann man das Gelernte ja auch noch anderweitig
gut gebrauchen.
Etwa so ähnlich war es den Mitarbeitern aus einem großen |101| Unternehmen ergangen, die ich kürzlich in einem Seminar vorfand. Zu Beginn fragte ich ahnungslos, was sie für die anstehende
Moderatorenaufgabe motiviere. Die bittere Antwort: »Gar nichts. Das war eine Idee von meinem Chef.« Unmut gepaart mit Sorgen
entlud sich dann noch einmal nach den ersten drei Seminarstunden kurz vor dem Mittagessen. Eine Traube von fünf Teilnehmern
scharte sich um mich. Einige stießen Fragen hervor wie: »Warum lässt man solche wichtigen Workshops von uns als Laien machen?«
Oder: »Da muss ein Profi wie Sie ran. Wenn wir das machen, wird mehr Schaden als Nutzen angerichtet.« Als Trainer ist man
dann in der Pflicht, eine Stampede zu vermeiden und beruhigende Worte wie eine schützende Decke um das erregte Volk zu legen.
Und selbst wenn es gelingt, passende Worte zu finden – richtige Weiterbildungsfreude kommt dennoch nicht auf.
Eine andere beliebte Form, die Mitarbeiter über anstehende Schulungsmaßnahmen zu informieren, nenne ich das bereits erwähnte
Tür-auf-Tür-zu-Prinzip. Der Chef steckt die Nase ins Büro des Mitarbeiters hinein, »Da ist die Schulung XY, gehen Sie mal
dahin«, und ist blitzschnell wieder entschwunden. Zurück bleibt der verdutzte Mitarbeiter, der für sich in der Stille verdaut,
was er gerade gehört hat. So erging es auch einem jungen Mann, den ich vor ein paar Wochen traf. Der 23-Jährige arbeitete
in einem Logistiklager. Sein Chef, der Hallenmeister, hatte ihn mal kurz zur Seite genommen und ihm völlig überraschend mitgeteilt,
dass er zu einem mehrtägigen Führungstraining gehen sollte. Der junge Mann war natürlich voller Begeisterung gewesen, als
er erfuhr, dass er Karriereaussichten hatte. »Ich wusste gar nicht, dass mein Chef mir das zutraut«, erzählte er mir erfreut
und pikiert zugleich. Die gute Nachricht hatte für ihn einen negativen Beigeschmack, weil es keinerlei Vorzeichen für sein
Führungstalent gab. Sein Chef erwähnte nie etwas, obwohl er bereits seit zwei Jahren im Betrieb arbeitete. Natürlich hatte
er auf informellem Wege hier und da mal ein Wort von Lob und Kritik erfahren, wenn es um die tägliche Arbeit ging, aber eine
genaue Standortbestimmung, in der |102| ihm Stärken und Schwächen aufgezeigt wurden, hatte es nicht gegeben. »Ich hätte mich selbst viel mehr darum gekümmert, was
ich für Schulungen interessant finde, und mich auch aktiver eingebracht«, meinte der Lagermitarbeiter. So war er vor vollendete
Tatsachen gestellt worden. Seine Interessen und Bedürfnisse wurden nicht berücksichtigt. Ihm gefiel auch nicht, dass er nicht
in Erfahrung bringen konnte, wie es nach dem Training weitergehen sollte. Natürlich hatte er vorsichtig nachgehakt, wann er
Führungsaufgaben übernehmen sollte. Die lakonische Antwort war jedoch gewesen: »Geh’ erst mal in das Seminar und dann werden
wir mal sehen.« Angesichts dieser fehlenden Klarheit und Transparenz ist keine zielgerichtete Weiterbildung möglich. Hinzu
kommt das Problem, dass der
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