Die Weiterbildungsluege
Entwicklungschancen suggeriert, obwohl der Zug längst abgefahren ist. »Das ist bitter«, konstatierte die Personalentwicklerin
eines Maschinenbauherstellers mir gegenüber. Auch sie kennt Firmen, die Mitarbeiter noch trainierten, obwohl klar war, dass
die Abteilung outgesourct wird. So sprach sie über eine Firma, die ihre Logistik und Buchhaltung in den Osten verlagern wollte.
Bevor das offiziell bekannt wurde, habe man den Mitarbeitern gesagt: »Ihr müsst kundenfreundlicher werden. Es muss auch schneller
und effizienter gehen.« Dafür wurden Schulungen veranstaltet. Dann |160| war jedoch klar, dass für die Mitarbeiter in der alten Firma keine Weiterbeschäftigungschance bestand. Nur einige hatten die
Gelegenheit, in der neu gegründeten Drittfirma anzufangen, die dann als externer Anbieter die bisherigen internen Aufgaben
erfüllte.
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|161| Teil III
Das Umfeld
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|163| Kapitel 7
Lachnummer
Gute Vorsätze werden torpediert
Eines Morgens lag sie merkwürdig da. Auf dem Rücken. Alle viere von sich gestreckt. Tot. Arme Petra. Das war schon ein trauriges
Ereignis für ihre beiden Mitbewohnerinnen. Aber sie hatte ein schönes Leben gehabt. Kati und Elsa lugten sie aus großen dunklen
Augen an. Aber der letzte Hauch war bereits aus der kleinen Wüstenrennmaus gewichen. Plötzlich lag ein Schatten über ihnen.
Ein Gesicht tauchte auf und nahm Konturen an. Das war die Zweibeinerin, die ihnen immer Fressen und Wasser gab. »Oh, wie schade.
Sie ist tot«, tönte es von oben nach unten ins Terrarium. Kurz darauf bewegte sich die Hand der Zweibeinerin zu ihnen herunter.
Mit einem silbern schimmernden Gerät wurde Petra samt Streu aufgeladen und entschwebte dem Glaskasten. Kati und Elsa glaubten,
dass ihre Mitbewohnerin zur ewigen Ruhe auf einen Mäusefriedhof gebettet würde. Glücklicherweise sahen sie nicht, wie das
leblose Fellknäul im Müllheimer unter der Spüle landete. Es verging einige Zeit. Dann plötzlich kam wieder die Hand der Zweibeinerin
in ihr Revier. Daraus huschte eine Artgenossin. Ein Schnuppern machte schnell deutlich: Die gehört nicht zu uns. Und weil
der lateinische Name von Wüstenrennmäusen so viel bedeutet wie »Krieger mit Krallen«, war es nicht verwunderlich, dass die
Tiere zum Angriff übergingen, um den Eindringling zu verjagen. Wir wollen dieses grausame Naturschauspiel an dieser Stelle
nicht weiter begleiten, sondern hoffen, dass besagte Zweibeinerin etwas |164| über die Zusammenführung von Wüstenrennmäusen wusste. Da hilft nämlich nur eines: Alle Tiere so lange mit Parfüm besprühen,
bis diese benebelt von Chanel oder Dior die Sterne funkeln sehen und einen kompletten Duft-Flash in den kleinen Näschen haben.
In diesem Zustand erkennen sie weder sich noch andere wieder – was dann die Zusammenführung mit fremden Mäusen ermöglicht.
Als Eigentümer der kleinen Nager hat man übrigens nach dieser olfaktorischen Radikalmaßnahme auch eine temporäre Geruchsparalyse.
Und nun – nachdem Sie so geduldig meinen Ausführungen gefolgt sind – verrate ich Ihnen auch, was diese Mäusegeschichte mit
Weiterbildung zu tun hat. So ähnlich wie einer fremden Wüstenrennmaus ergeht es Teilnehmern, die nach einer Fortbildung wieder
in den normalen Alltag zurückkehren. Sie bringen einen ganz anderen Stallgeruch mit. Und da sind Menschen ähnlich grausam
wie Wüstenrennmäuse. Sie beißen zwar nicht, verletzen aber mit Verbalattacken. »Was ist denn mit dir los, warst du im Gehirnwäsche-Seminar?«
Oder es geistert im Kollegenkreis der Spruch: »Der war auf einem Seminar. Lass’ den mal in Ruhe. Der wird bald wieder normal.
Der merkt schon, dass das bei uns nicht geht.« Statt die ersten eckigen Versuche von neuen Verhaltensweisen zu bestärken und
zu unterstützen, werden sie lächerlich gemacht. Ist das Umfeld direkt betroffen, sind Konflikte programmiert. Denn die anderen
spüren plötzlich ihrerseits auch eine Veränderungsnotwendigkeit. Die alte Ordnung ist bedroht. Doch das System schlägt zurück.
Der Appell wird immer lauter, dass der andere wieder so sein soll wie vorher. Und auch Konsequenzandrohungen stehen spürbar
im Raum. »Wenn du nicht damit aufhörst, bist du bei uns unten durch.« Und wenn der Chef dergleichen zulässt, nimmt die Gruppendynamik
ihren freien Lauf. Es dauert nicht lange, da hört der Belächelte auf, gute Vorsätze in die Tat umzusetzen. Er reiht sich
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