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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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dass die Mitarbeiter schon vor einigen Jahren Trainings von ein bis zwei
     Tagen erhalten hatten.
    Ich höre schon an dieser Stelle die Gralshüter der Trainingsethik fragen, wie man so einen Auftrag annehmen kann. Liebe Gralshüter,
     an dieser Stelle möchte ich euch sagen, es gibt auch Menschen mit sportlichem Ehrgeiz, die etwas bewegen wollen. Und sportlich
     war das Ganze in der Tat. Denn die Telefon-Truppe erschien angesichts der Vorgeschichte reichlich trainingsmüde. Daher wurde
     der Trainingsansatz gewählt, dass nur interessierte Mitarbeiter in die Pilotveranstaltung hineindurften. Es gab keinen Zwang
     zur Teilnahme. Freiwilligkeit war die Devise. Das erklärte Ziel war, mit dieser motivierten Trainingsgruppe die Daseinsberechtigung
     der Abteilung in Zahlen sichtbar zu machen. Gar nicht so einfach. Im |158| ganzen Unternehmen bestand das Grundsatzproblem nämlich darin, dass die Aktivitäten des Einzelnen – ob im Außendienst, Innendienst
     oder Marketing – nicht direkt in Umsatzzahlen messbar waren. Jeder mischte irgendwie am Kunden mit. Das beliebteste Beispiel
     war, das manche Verkaufsregion das stärkste Wachstum zeigte, obwohl sie über eine längere Zeit von keinem Vertriebsmitarbeiter
     bearbeitet wurde. Der erfolgreichste Kollege im Unternehmen war also Herr N. N. Hinter dieser Abkürzung steht der lateinische
     Ausdruck »Nomen nominandum«, das heißt: »der Name muss genannt werden«, die Person ist noch nicht »erkennbar«.
    Trotz allem gab es das Training. Acht Mitarbeiter hatten sich aus eigenem Interesse für das dreimonatige Trainingsprogramm
     gemeldet. Darin enthalten waren eintägige Gruppentrainings, Einzeltrainings und intensives Training on the Job. Letzteres
     wurde sowohl vom Abteilungsleiter, zwei Gruppenleitern als auch von meinem Trainerkollegen begleitet. Die Grundlage waren
     Erfolgskriterien für die Gesprächsführung am Telefon, die zusammen mit dem Führungskreis erarbeitet wurden. Deren Umsetzung
     wurde auf einer Skala bewertet. Die Teilnehmer zeigten rhetorische Verbesserungen. Doch bald war ein Lernplateau erreicht.
     Mehr ging nicht – der Kollege musste mit Zähneknirschen konstatieren, dass gemessen an den Erfolgskriterien der Gesprächsführung
     das erforderliche Quentchen Vertriebsmentalität nicht trainierbar war. Kommt Ihnen das vertraut vor? Wenn nicht – blättern
     Sie doch mal zurück zu Kapitel 2. Da ging es um die natürlichen Grenzen. Eine Kuh kriegt man eben nicht zum Walzertanzen.
    Zwischenzeitlich festigte sich hartnäckig ein Gerücht bei der zweiten Mitarbeitergruppe: Sie glaubte, dass es ohnehin nie
     zu einem weiteren Trainingslauf kommen würde. Sie fühlte sich schon abgeschrieben, und ich will es an dieser Stelle kurz machen:
     Nach etwa zwei Jahren wurde die Abteilung geschlossen. Natürliche Fluktuation, einige Aufhebungsverträge und die eine oder
     andere interne Versetzung verstreuten die Mitarbeiter in alle Himmelsrichtungen.
    |159| Und die Moral von der Geschicht: Es wurde also geschult, obwohl die Entscheidung zur Auflösung der Abteilung schon feststand
     und eigentlich im Vorfeld keine Anzeichen bestanden, dass das Training irgendwelche positiven Effekte bringen könnte. Es war
     eine Pseudomaßnahme. Sie wurde aber benötigt, um intern glaubhaft zu machen, dass eine betriebsbedingte Auflösung unumgänglich
     sei.
    Aber nicht nur bei solchen geplanten Teilschließungen werden Weiterbildungen zweckentfremdet. Es passiert auch im Zusammenhang
     mit Auslagerungen – neudeutsch: Outsourcing. Meistens wird ein Outsourcing aus kosten- oder bilanzierungstechnischen Gründen
     vorgenommen. Daher ist es, genauso wie Teilschließungen, immer ein heißes Eisen. Je nach den Dimensionen wird es dankbar von
     der Presse aufgegriffen. So wie im Fall der Telekom, die zum 1. Juli 2007 die Auslagerung von rund 50 000 Beschäftigten in
     drei eigenständige Service-Gesellschaften unter dem Dach von T-Service vornahm. Hier ging es klar um Kostensenkung. Die Mitarbeiter
     sollten in dem neuen Bereich 6,5 Prozent weniger verdienen und zugleich 38 statt 34 Stunden pro Woche arbeiten. 55 Im Jahr 1996 gehörte der Begriff Outsourcing übrigens zu den Unwörtern des Jahres. Begründung: Es sei ein »Imponierwort,
     das der Auslagerung/Vernichtung von Arbeitsplätzen einen seriösen Anstrich zu geben versucht«. 56
    Wenn vor einem Outsourcing jedoch noch eine Schulung erfolgt ist das nicht Weiterbildung, sondern schlicht Augenwischerei.
     Es werden

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