Die Welfenkaiserin
Blut in ihren Adern, »… selbst Blut vergießen muss.«
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Aus den Chroniken der Astronoma
In den Jahren des Herrn 841 und 842
Der neunjährige Bruderkrieg findet am 21. Juni in Fontenoy einen schrecklichen Höhepunkt. Eine derartig blutige Schlacht ist auf diesem Teil des Erdkreises bislang niemals zuvor geschlagen worden. Noch bevor die Sonne am höchsten steht, sickert bereits das Blut von mehr als vierzigtausend toten Kriegern in den Boden. Das Schlachtfeld ist von Leichen übersät; fast eine ganze Generation scheint ausgelöscht zu sein, und die Blüte des fränkischen Adels ist tot. Wer soll jetzt noch die Grenzen des Frankenreichs nach außen verteidigen, wer noch den Regierenden beratend zur Seite stehen können?
Gegen Mittag haben Karl und Ludwig auf der ganzen Linie gesiegt. Lothar, der sich mit der Niederlage nicht abfinden will, flüchtet nach Aachen und sammelt neue Truppen.
Bernhard Graf von Barcelona, der sich mit seinem Heer vom Schlachtgetümmel ferngehalten hat, kehrt ohne Verluste heim nach Septimanien.
Karl und Ludwig benötigen ein weiteres halbes fahr, bis es ihnen glückt, Lothar endgültig zu schlagen und ihm ihre Gebiete wieder abzujagen. Dann teilen sie das Reich unter sich auf Ludwig erhält die deutschen und Karl die franzischen Gebiete. Sie bekräftigen ihr Bündnis gegen den ältesten Bruder in den am 14. Februar 842 abgelegten Straßburger Eiden und schwören, sich nie wieder mit Lothar zu verbünden. Karl spricht seinen Eid auf Deutsch, damit das Gefolge seines Bruders ihn versteht, und Ludwig bedient sich aus dem gleichen Grund der lingua romana . Damit wird erstmals auch in der fränkisch-lateinischen Volkssprache ein Dokument ausgestellt. Danach verpflichten sich die Heere, von ihrem Herrscher abzufallen, falls dieser den Eid brechen sollte. Angesichts des letzten Wunsches ihres Vaters wagen es die beiden Brüder nicht, Lothar als Kaiser abzusetzen. Doch eine Bischofsversammlung beruft sich auf das Gottesurteil der Schlacht von Fontenoy , spricht Lothar die Eignung zur Herrschaft ab und erteilt den jüngeren Brüdern die Vollmacht zur Regierung. Ludwig und Karl verlangen von Lothar, sich auf Italien zu beschränken, was dieser ablehnt. Als sie mit ihren Heeren gen Aachen ziehen, flüchtet Lothar mit dem königlichen Hort nach Burgund. Zu den Schätzen gehört auch ein silberner Tisch, auf dem der Erdkreis, der Sternenhimmel und die Planetenbahnen in erhabenem Relief abgebildet sind. Lothar lässt diesen unschätzbar kostbaren Gegenstand in Stücke hauen, die er an seine Anhänger verteilt. Seiner Ehefrau Irmingard, die sich auf dem Landsitz ihres Vaters in Tours aufhält, lässt er ein winziges Teil zukommen. Es weist in der Mitte ein Loch auf als sei eine Waffe hindurchgestoßen worden.
In den Jahren 842 bis 844
»Du störst, Mutter, ich will dich nicht mehr um mich haben.«
Judith glaubte, sich verhört zu haben, und starrte sprachlos ihren Sohn an, der auf dem Gang des Palatiums von Quierzy hocherhobenen Hauptes an ihr vorbeischritt. Ohne innezuhalten, teilte er ihr beiläufig mit, sie habe am Morgen nach seiner Hochzeit aus seinem Leben zu verschwinden. »Wenn du dir selbst kein Kloster aussuchen magst, werde ich dich in ein passendes einweisen lassen«, rief er ihr noch über die Schulter zu, ehe er in seiner Beratungskammer verschwand. Zu der hatte er ihr bereits zwei Monate zuvor den Zutritt untersagt.
»Frauen haben sich aus der Politik herauszuhalten und Kinder zu gebären«, hatte der neue starke Mann an des jungen Königs Seite bestimmt. Und Karl hörte auf Graf Adalhard. Schließlich hatte dieser in der Schlacht von Fontenoy den siegreichen linken Flügel angeführt und Karl unter Einsatz des eigenen Lebens vor einem todbringenden Lanzenstich gerettet. Nach dem glorreichen Sieg scharte der Graf die übrig gebliebenen Edlen um sich, kämpfte erbittert gegen Lothar und führte seine eigenen Getreuen Karl im Laufe des Jahres als Hausmacht zu. Begleitet wurde er dabei von seiner Nichte Ermentrud, der Tochter seines im Jahr 834 gefallenen Bruders Odo von Orleans.
»Ludo und Lothar haben bereits Söhne; es wird Zeit, dass dir eine Frau aus mächtigem Geschlecht ebenfalls Erben schenkt.«
Mit diesen Worten stellte Graf Adalhard dem jungen König seine Nichte vor und fügte nebenbei hinzu, der Hof biete wohl kaum einer demütigen Königin und einer herrschsüchtigen Königinmutter Platz. Wie so viele Edle des Reiches machte auch Adalhard nach Ludwigs Tod aus
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