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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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seiner Abneigung gegen Judith kein Geheimnis. Sie mochte sich noch so oft vom Vorwurf der Zauberei reinwaschen; das Gerücht, mit dunklen Mächten im Bunde zu sein und sich, von ihnen beraten, als regierende Herrin des Reiches zu gebärden, blieb an ihr haften und warf ein schlechtes Licht auf den jungen König.
    Karl betrachtete das magere Mädchen, das die Lider züchtig niedergeschlagen hatte, und schlug ohne zu zögern in den Handel ein.
    Der kam ihm durchaus gelegen, denn auch er fand, seine Mutter habe ihre Rolle ausgespielt. Nach der Schlacht von Fontenoy hatte sie noch einmal ihren ganzen Einfluss darauf verwendet, eine Aussöhnung zwischen Ludwigs Kindern zu erreichen. Die Straßburger Eide mussten zurückgenommen werden, denn Lothar würde erst Frieden geben, wenn auch er berücksichtigt worden sei. Ohne Lothar würde es nie Frieden geben. Sie schaffte es ein Jahr später tatsächlich, Karl, Lothar und Ludo auf der Saône-Insel Ansille bei Macon zusammenzubringen, wo ein vorläufiger Frieden geschlossen und geplant wurde, das Reich in drei Teile aufzuspalten. Je vierzig Vertreter der drei Brüder wurden aufgefordert, eine Beschreibung des Reiches vorzunehmen, auf deren Grundlage es in drei gleichwertige Gebiete unterteilt werden sollte. Judith schüttelte den Kopf über die zumeist jungen Leute aus Karls Beraterstab; seine befähigteren Männer hatten in Fontenoy ihr Leben gelassen. Flehentlich bat sie darum, fördernd mitzuwirken oder zumindest Abt Markward von Prüm hinzuzuziehen. Karl aber lehnte alle Vorschläge seiner Mutter ab.
    Judith verspürte keinen Triumph, als dann der erste Teilungsplan an der Unwissenheit von Karls Vertretern scheiterte, die über den Umfang und die Gestaltung des Gesamtreiches nicht ausreichend informiert waren und dieses gegenüber Lothars besser ausgebildeten Beratern zugeben mussten. Höhnisch forderte Lothar Karls Männer auf, ihre Hausaufgaben zu machen, und so wurde der Waffenstillstand um ein weiteres Dreivierteljahr verlängert.
    Zwanzig Jahre lang hatte sich Judith um die Geschicke des Reiches gekümmert und sie in den vergangenen zehn Jahren entscheidend mitbestimmt. Sie wusste um jedes Bistum, jede Grafschaft, jedes Stift, jede Abtei und jede bedeutende Persönlichkeit; kaum jemand war über Ämter, Lehen, Güter und Rechte so umfassend im Bilde wie sie. Abermals bot sie Karl ihre Mithilfe an. Entrüstet forderte er seine Mutter auf, sich gänzlich aus der Politik herauszuhalten. Zwischen Mutter und Sohn kam es zwar zu einem äußerst hässlichen Streit, aber nicht zum wirklichen Bruch. Den hatte er erst jetzt verkündet, am Vorabend seiner Hochzeit mit Ermentrud.
    Judith blieb wie angewurzelt im Gang stehen. Du störst, Mutter, ich will dich nicht mehr um mich haben. Das Echo seiner Worte hallte in ihrem Kopf nach und traf sie wie ein Lanzenstich mitten ins Herz. Vorsichtig, als könnte er ihr abfallen, streckte sie einen Arm aus und suchte Halt an der kalten Steinmauer. Der Sohn, um dessen Zukunft willen sie so erbittert gekämpft und gelitten hatte, sagte sich mit einem kleinen, beiläufig geäußerten Satz endgültig von ihr los.
    Noch nie war sie so einsam gewesen.
    Nicht einmal im Kerker von Tortona, dachte sie, als sie langsam an der Wand herunterrutschte, denn da wusste ich, dass draußen liebende Menschen um mich bangten, mich suchten und mich retten wollten. Das hat mir Kraft verliehen – wie auch der Gedanke an meinen Sohn und seine Zukunft.
    Neunzehn Jahre lang hatte all ihr Streben der Sicherung von Karls Stellung gegolten; dafür hatte sie ihr eigenes Glück hintangestellt, sich immer wieder in Lebensgefahr begeben, sogar Truppen ausgehoben, ein Heer angeführt und ihr gesamtes Vermögen geopfert. Und jetzt hatte er ihr mit einem lapidaren herzlosen Satz den Sinn ihres Lebens entzogen. Am liebsten hätte sie sich auf dem Gang lang ausgestreckt, mit den Fäusten auf den Boden getrommelt und ihren Schmerz hinaus in die Welt geschrien. Aber dazu fehlte ihr die Kraft.
    »Judi?«
    Ruadberns Stimme drang zu ihr durch. Mit leeren Augen blickte sie zu ihm auf. Er beugte sich hinab und half ihr auf die Beine.
    »Bist du gestürzt?«, fragte er besorgt.
    »So kann man es nennen«, antwortete sie tonlos und wiederholte Karls Worte.
    »Eltern sollten von ihren Kindern keine Dankbarkeit erwarten«, sagte er leise, als er sie zu ihrem Gemach führte.
    »Auch keine Achtung?«
    »Die schon«, bestätigte er und setzte hinzu: »In Herrscherfamilien nimmt die

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