Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
hatte, und traurige Reue, dass sie diese vor Karls Geburt davongejagt hatte. Wie übersichtlich die Welt in meiner Kindheit noch war, dachte sie, voller Leichtigkeit, Bildung und Verfeinerung. Aber ich war nur ein Kind und habe die Kriege nicht verstanden. Nie wirklich begriffen, weshalb ich eine Geisel war und meine Großmutter Geva so verbittert gekämpft hat. Harald Klak fiel ihr in diesem Zusammenhang ein, Harald Klak steht auf unserer Seite! Aber wie könnte ich jetzt eine Botschaft nach Friesland schicken? Bilde ich es mir nur ein, überlegte sie, oder hat Kaiser Karl alles besser zusammengehalten als mein Mann? Nichts schien seiner Autorität je Schaden zugefügt zu haben. Wie hat er das nur bewirkt?
    Sie winkte Abt Markward und ihrem Sohn hinterher, bis die beiden zwischen den Bäumen verschwunden waren. Mit erheblich leichterem Herzen kehrte sie in die Abtei zurück.
    Sie hatte keine Wahl. Sie würde sich Graf Hugo stellen müssen. Sie trat in den Gastraum ein und blickte sich suchend um. Hinter ihr knallte die Tür ins Schloss. Sie wirbelte herum. Graf Hugos zwei Gehilfen versperrten ihr grinsend den Ausgang.
    Sie wich zurück.
    »Keine Angst, der Graf kommt gleich zu deiner Rettung«, sagte der Größere von beiden und machte einen Schritt auf sie zu. Judith sprang auf die andere Seite des langen Tisches. Blitzschnell, als hätten sie es abgesprochen, schoben die beiden Männer den Tisch so hin, dass Judith wie ein gefangenes Tier zwischen ihm und der Wand klemmte.
    »Das da draußen war nur ein Vorspiel«, sagte der Mann. »Du ahnst ja nicht, wozu wir fähig sind, wenn man uns loslässt.«
    »Was wollt ihr?«, fragte Judith gepresst.
    »Nur eines. Und wenn du es versprichst, werden wir dich so behandeln, wie du es als hohe Frau gewohnt bist. Wenn du dich weigerst, wirst du solche Qualen erleiden, dass du dir wünschst, nie geboren worden zu sein. Aber letztendlich wirst du an der Pein natürlich sterben!«
    Der Mann beugte sich über den Tisch, riss Judiths Kopf zu sich nach vorn und zeigte ihr ein Messer. »Ganz langsam werden wir dir alle Glieder abschneiden, Finger für Finger, Zeh für Zeh. Und mit kaltem Wasser sorgen wir schon dafür, dass du dich nicht durch eine Ohnmacht der Freude an den Schmerzen beraubst. Zum Schluss schneiden wir dich bei lebendigem Leib auf. Natürlich fangen wir bei jener vorgefertigten Ritze an, die wir vorher auf für uns sehr angenehme Weise hübsch ausgedehnt haben. Zum Schluss werfen wir den Rest deines Leichnams dem Volk vor. Zum Beerdigen wird es dann nichts mehr geben!«
    An ihrem Kragen zog er Judith mit einem Ruck weiter nach vorn und stieß sie dann so heftig gegen die Brust, dass sie mit dem Hinterkopf gegen die Wand knallte.
    »Was soll ich euch versprechen?«, fragte sie benommen.
    »Dass du deinen Mann überredest, ins Kloster zu gehen und Mönch zu werden. Und dass du selbst auch den Schleier nimmst, versteht sich wohl von selbst«, hörte sie Graf Hugos Stimme. Er stand mit einem Krug Wein in der Hand an der Tür, schüttelte den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
    »Euch kann man wirklich nicht allein lassen«, sagte er vorwurfsvoll zu den beiden Männern. »Vor allem nicht mit einer so schönen Frau! Noch einmal lasse ich euch so etwas nicht durchgehen! Und dem Abt wird die jetzige Anordnung der Möbel auch nicht gefallen. Stellt den alten Zustand wieder her!«
    Als die Männer den Tisch in die Mitte rückten, trat Irmingards Vater auf Judith zu und reichte ihr galant den Arm. Sie rührte sich nicht.
    »Diesen unangenehmen Zwischenfall hättest du dir ersparen können, wenn du uns den Wein bestellt hättest«, sagte er, zog die Bank unter dem Tisch hervor und setzte sich.
    »Du kannst dir überhaupt eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen, liebste Judith. Trink etwas nach all der Aufregung!«, forderte er sie auf und füllte zwei Becher.
    Ihre Kehle war wie ausgedorrt, doch sie wartete, bis der Graf den ersten Schluck genommen hatte.
    »Warum so misstrauisch?«, fragte er lachend. »Glaubst du etwa, wir wollen dich vergiften?«
    »So einfallslos bist du nicht«, erwiderte Judith und nahm hastig einen Schluck. »Ich begreife, dass ganz andere Freuden auf mich warten, wenn ich mich dir widersetze.«
    »In der Tat«, murmelte er zerstreut und setzte dann munter hinzu: »Dem ist ein Leben als Nonne entschieden vorzuziehen, nicht wahr?« Er sah ihr tief in die Augen, als wollte er sie betören. »Wir wissen, dass Ludwig dir aus der Hand frisst.

Weitere Kostenlose Bücher