Die Welfenkaiserin
Wirst du ihn überzeugen, das Wehrgehenk abzulegen und ins Kloster einzutreten?«
Judith nickte.
»Sprich es aus!«
»Ich werde ihn überzeugen, Mönch zu werden. Und selbst auch ins Kloster gehen.«
Versprechen konnte man alles. Auf dem Weg zu Ludwig würde ihr schon etwas einfallen. Zunächst war nur wichtig, dass sie heil bei ihm ankam und mit ihm zusammen eine Lösung ersann.
»Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn wir sofort aufbrechen«, erklärte Graf Hugo gönnerhaft. »Zu packen hast du schließlich nichts.«
8
Aus den Chroniken der Astronoma
Im Jahr des Herrn 830
Erzbischof Agobard von Lyon ruft die Menge in Compiègne auf für das Seelenheil Kaiser Ludwigs zu beten. Es sei durch die Zauberkünste der Kaiserin ebenso gefährdet wie das Fortbestehen des Reiches und das Wohl jedes Einzelnen, wenn es nicht gelinge, die Herrin der bösen Mächte unschädlich zu machen. Mit üblen Beschimpfungen und Todesdrohungen fällt das Volk den Zug der Kaiserin an, als dieser in Compiègne eintrifft. Nur mit knapper Not gelingt es ihren Bewachern, sie unverletzt ins Palatium zu schaffen. Hier kommt sie mit ihrem Gemahl zu geheimer Unterredung zusammen. Anschließend erklärt sie sich bereit, den Schleier zu nehmen. Der Kaiser werde, so deutet sie an, bald ihrem Beispiel folgen und ebenfalls ins Kloster gehen. Sie wird unter den Verwünschungen des versammelten Volks tief verschleiert abgeführt, ins Kloster der Heiligen Radegundis nach Poitiers gebracht und unter Umgehung der zehnmonatigen Novizenzeit sogleich mit dem Heiland verlobt. Da eine Nonne nicht mehr als legitime Gemahlin des Kaisers gelten kann, verliert ihr Sohn Karl jeglichen Erbanspruch. Nach Judiths Weggang tritt der Kaiser mit dem Erzbischof selbst vor die wild schreiende Menge und spricht: »Ihr habt getan, was nie ein Volk zuvor getan, weil ich zugelassen und getan habe, was noch nie ein König tat. Dank Gott dem Allmächtigen, der alles zu einem friedlichen Ende geführt hat und dem die Rache über jenes Weib gebührt! Ihr habt sie verurteilt, ich schenke ihr das Leben, unter der Bedingung, dass sie fortan Buße tuend unter dem Schleier lebe. Meine jüngsten Verfügungen sind nichtig, alles soll bleiben, wie es ehedem war.« Wenige Tage später trifft Lothar aus Italien in Compiègne ein, wünscht seinem Vater Glück zur überstandenen Gefahr und erkundigt sich voller gespielter Entrüstung nach den Schuldigen. Von Pippin ins Bild gesetzt, betont er, er werde zur Rettung des Kaisers vor den Machenschaften der schändlichen Hexe und ihres Buhlen auftreten und über die Anhänger der Kaiserin richten. Da der Hauptschuldige, Bernhard Graf von Barcelona, geflohen ist, lässt Lothar stellvertretend dessen Bruder Heribert misshandeln und blenden. Er enthebt Konrad und Rudolf, die Brüder der Kaiserin, ihrer Ämter, lässt sie scheren und in aquitanische Klöster einweisen. Auch Adelheid, die Gemahlin Konrads und Schwägerin Lothars, zieht sich in eine Abtei zurück, ohne jedoch Nonne zu werden. Diesen erschütternden Auftritten zum Trotz spricht keine Stimme Ludwig die Kaiserwürde ab. In den Augen des Volkes ist der Herrscher endlich vom verderblichen Einfluss seines Weibes befreit worden und kann weiterregieren. König Pippin ist der gleichen Ansicht. Solange dieser sich in Compiègne aufthält, erweist auch sein Bruder Lothar dem Vater alle Ehrerbietung. Doch Pippin ist kaum abgereist, als Lothar mit seinen Verschworenen den Vater bedroht und ihm die freiwillige Abdankung gebietet. Um dieser Aufforderung Nachdruck zu verleihen, umgibt er Ludwig ausschließlich mit Mönchen, die ihm die Vortrefflichkeit des Klosterlebens vor Augen halten und ihn daran erinnern, wie sehnsüchtig er nach dem Tod seiner ersten Gemahlin danach verlangt habe. Die Mönche erläutern, dies habe ihm schon damals Gott eingegeben, bis ihm – im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse – der Teufel selbst die verderbte Judith zugeführt habe, die Versuchung der Hölle. Gegenüber Lothar und seinem Anhang äußert Kaiser Ludwig, er verspüre große Lust, seinem Ältesten die Herrschaft zu überlassen und seine Tage in der Stille einer Abtei zu beschließen. Er wolle dies nur nicht sogleich tun, da sonst auf seinen geliebten Sohn Lothar der Verdacht fallen könne, den Kaiser aus Eigennutz vom Thron gestoßen zu haben. Aus dem gleichen Grund wolle er seinen Entschluss zur Abdankung auf einem Reichstag öffentlich kundtun. Dieser Reichstag wird für den Oktober angesetzt.
In
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