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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bevorsteht. In den vergangenen paar Tagen sind mehr Schiffe in See gestochen als in den letzten vier Wochen. Die, die noch hier sind, sind genauso blind wie Kenndrick - Kinder, die sich die Augen zuhalten und glauben, keiner kann sie sehen. Aber die Spanier sind in diesem Augenblick irgendwo da draußen, nicht mehr weit entfernt. Ich wollte die letzte Nacht nutzen, um Kenndrick zu erledigen - jetzt ist es zu spät.«
    »Was wirst du tun?«
    »Mich ins Inland absetzen. Auf der anderen Seite der Insel ankern ein paar Schiffe, deren Kapitäne meinem Vater treu ergeben waren - einer wird mich schon an Bord nehmen.«
    »Warum kommst du nicht mit mir?«
    »Kenndrick weiß jetzt, wer ich bin. Wenn er den spanischen Angriff überlebt, wird er mich mit allem jagen, was er hat. Es gibt immer noch viele, die ihn verachten und lieber Scarabs Tochter auf dem Piratenthron sähen als ihn. Er hat allen Grund, mich zu fürchten, nicht nur wegen heute Nacht. Ich wäre dir keine Hilfe, wenn dir erst mal die halbe Piratenflotte nachjagt.«
    Jolly sah ein, dass sie Soledad nicht umstimmen konnte. Die Prinzessin schüttelte ihr zum Abschied die Hand.
    »Noch was«, sagte Soledad. »Wegen Captain Bannon…«
    »Ja?«
    »Du solltest mal darüber nachdenken, ob Kenndrick nicht mit der Sache zu tun haben könnte.«
    Jolly runzelte die Stirn. Sie wollte nachhaken, doch Soledads rote Mähne verschmolz bereits mit den Schatten eines Durchgangs. Ihre Schritte verhallten im Dunkel.

Gideons Grab

    Auf dem kleinen Segelboot im Hafen erwartete sie einer der beiden Papageien. Es war Hugh, sie erkannte ihn an den giftgelben Augen. Er saß auf einem Stück Papier, das mit einer fein geschwungenen Handschrift beschrieben war.
    Es ist zu gefährlich, im Freien zu übernachten, stand da. Ich habe ein Zimmer angemietet, in einem Gasthaus namens Gideons Grab. Munk und ich erwarten dich dort. Folge Hugh, er wird dich zu uns führen.
    Unterzeichnet war die Botschaft mit den Initialen GH, was Jolly ein wenig albern fand. Darunter stand ein Postskriptum: Was, zum Teufel, hast du Munk eingeflößt? Er hat den armen Moe purpur gezaubert!
    Jolly kicherte verstohlen. Munk hatte in der Taverne zwei große Becher Wein getrunken und war auf einen Schlag so benebelt gewesen, dass sie Mühe gehabt hatte, ihn zurück zum Boot zu schaffen. Dort hatte sie ihn unter die Zeltplane am Heck gelegt, damit er seinen Rausch ausschlafen und sie bei der Durchführung ihres Plans nicht behindern konnte.
    Jetzt stellte sie sich das Gesicht des Geisterhändlers vor, als der zum Hafen zurückgekehrt war und seinen Schützling in diesem Zustand vorgefunden hatte. Sie musste lachen, trotz des Schreckens, der ihr nach der Flucht noch immer in den Knochen steckte.
    Erst der Gedanke an Soledads Worte ließ sie schlagartig ernst werden. Nicht nur, dass sie den Piratenkaiser und seine gesamte Meute auf den Fersen hatte, der drohende Angriff der Spanier machte ihr noch mehr Sorgen. Sie musste Munk und den Geisterhändler finden und sie überzeugen, unverzüglich aufzubrechen! Vielleicht gelang es ihnen, an Bord des Geisterschiffs zu gehen, bevor die Armada New Providence erreichte.
    Hugh erhob sich flatternd in die Luft und flog voran. Im Laufen zerknüllte Jolly das Schreiben des Geisterhändlers. Hoffentlich war es nicht weit bis zu der Taverne, in der die beiden auf sie warteten. Himmel, wer quartierte sich in einer Spelunke ein, die Gideons Grab hieß?
    Der Gasthof befand sich am äußeren Rand des Hafens, ein zweigeschossiges Holzhaus, aus dessen unteren Fenstern der Lärm und die dubiosen Gerüche einer überfüllten Schankwirtschaft drangen. Die oberen Fenster waren dunkel.
    »Jolly! Da bist du ja endlich!« Die Stimme drang aus einem der pechschwarzen Rechtecke zu ihr herab. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte sie den Umriss, der dort oben nach ihr Ausschau hielt, fast unsichtbar, als besäße er selbst nicht mehr Substanz als die Schatten.
    Sie winkte dem Geisterhändler zu.
    »Warte«, rief er, »ich hole dich unten ab.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht nötig.« Und damit trat sie durch die Tür ins Innere der Taverne und huschte rasch durch die Menschenmenge, bevor irgendjemand mehr als einen flüchtigen Blick auf sie erhaschen konnte. Es ehrte den Händler, dass er sich Sorgen um sie machte, doch mit Bannon war sie schon in schlimmeren Mördergruben als dieser gewesen. Sie wusste, wie man den Betrunkenen auswich und sich notfalls zur Wehr setzte.
    Nicht einmal die Wirtin oder

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