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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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eine der Schankmägde nahmen sie wahr. Mitternacht war längst verstrichen. Rum, Gin und Bier flossen in Strömen. Feuchte Hitze erfüllte den Raum, und der Qualm zahlloser Pfeifen verschleierte die Sicht bis auf wenige Meter.
    Jolly entdeckte eine Treppe, die hinauf zu den Gästekammern führte. Eilig lief sie nach oben. Über dem Ende der Treppe wuchs abrupt die dreieckige Silhouette des dunklen Kapuzenmantels empor. Der Geisterhändler deutete auf eine offene Tür.
    »Dort hinein!«
    Munk lag auf einem der drei Betten im Zimmer und schnarchte zum Steinerweichen. Der Geisterhändler drückte hinter ihnen die Tür zu und schob eine Stuhllehne unter die Klinke. Ein Schloss gab es nicht.
    Auf dem Fenstersims landete Hugh neben Moe. Der Geisterhändler hatte nicht übertrieben: Das Gefieder des rotäugigen Papageis schimmerte im Kerzenschein in flammendem Purpur. Munks Muscheln lagen verteilt auf einem kleinen Tisch.
    »Es lässt schon nach«, sagte der Händler. »In ein paar Stunden sind seine Federn wieder schwarz.«
    »Die Spanier greifen an!«, brach es aus Jolly hervor.
    »Noch heute Nacht!«
    Seine linke Augenbraue rutschte kaum merklich nach oben. »Wer sagt das?«
    »Prinzessin Soledad. Scarabs Tochter!«
    Die Braue glitt noch höher, bis sie fast unter dem Rand der Kapuze verschwand. »Prinzessin Soledad? Seit wann tragen Piraten Adelstitel?«
    »Ich glaube, dass sie die Wahrheit gesagt hat.«
    »Bevor wir irgendetwas überstürzen, solltest du mir erst einmal alles erzählen.«
    »Aber wir müssen weg von hier!«
    »Später… vielleicht. Vorher möchte ich deine Geschichte hören.«
    Sie stieß einen ungeduldigen Seufzer aus, blickte mit einem Anflug von schlechtem Gewissen auf den schlafenden Munk und machte sich daran, alles zu erzählen. Der Geisterhändler hörte aufmerksam zu, ohne sich zu setzen. Er stand da, knetete das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und sah Jolly eindringlich an, als könnte er in ihren Augen Dinge lesen, die über das, was sie sagte, hinausgingen.
    »Hmm«, machte der Händler schließlich, und nach einer Pause noch einmal: »Hmm, hmm.«
    »Was soll das heißen?« Mit Jollys rasendem Herzschlag hätte man einen leckgeschlagenen Schiffsrumpf auspumpen können.
    »Scarabs Tochter ist ein schlaues Mädchen. Sie spricht solche Warnungen gewiss nicht leichtfertig aus.«
    »Worauf warten wir dann noch?«
    »Nun, ehrlich gesagt, auf ein Schiff. Und seinen Kapitän.«
    Jolly trat von einem Fuß auf den anderen. Was redete er für einen Unsinn? Sie hatten doch ein Schiff! Es mochte nicht das einladendste der Karibik sein, aber wen scherte das im Augenblick?
    Der Geisterhändler sah sie an und beantwortete ihre Frage, ohne dass sie sie stellen musste.
    »Wir müssen das Geisterschiff aufgeben. Wir brauchen ein wendiges, schnelles Schiff. Und einen erfahrenen Kapitän.«
    »Ich kann ein Schiff führen, wenn es sein muss«, sagte sie.
    Der Händler lächelte nachsichtig. »Daran zweifle ich nicht. Aber was wir jetzt brauchen, ist ein alter Hase.
    Einer, der mit allen Wassern gewaschen ist - und dem man trotzdem trauen kann.«
    Sie runzelte skeptisch die Stirn. »Und so einen habt ihr gefunden? Hier?«
    »Captain Walker. Er sitzt unten in der Taverne und spielt. Sobald die Partie beendet ist, wird er Geld brauchen. Und dann wird er mit mir reden.«
    »Walker?« Jolly schlug die Hände vors Gesicht und stieß einen verzweifelten Laut aus. »Der Walker? Derselbe, der Scarab persönlich um eine ganze Schiffsladung jamaikanischen Rum betrogen hat? Und der in den Kämpfen zwischen Spaniern und Engländern schneller von einer Seite zur anderen gewechselt ist als die Kanonenkugeln?«
    Der Händler nickte. »Er befehligt eines der schnellsten Schiffe der Karibischen See. Und er ist ein Halsabschneider mit einem gewissen Ehrgefühl. Etwas Besseres als ihn werden wir hier nicht finden, fürchte ich.«
    »Ehre!«, rief sie abfällig aus. »Mag sein, dass er scharf ist auf die Ehre, mich an Kenndrick auszuliefern.«
    Sie ließ sich erschöpft auf die Kante von Munks Bett fallen. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Argwöhnisch starrte sie den Händler an. »Warum willst du eigentlich so schnell von der Insel weg? Bis vor ein paar Minuten wusstest du noch nicht mal, dass die Spanier angreifen werden.«
    Die Miene des Händlers verdüsterte sich. »Wenn es nicht gelingt, dem Treiben des Mahlstroms ein Ende zu setzen, wird es hier bald weder Spanier noch Piraten geben. Glaub mir, der Acherus war nur ein

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