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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Deck.
    Sekunden später spien die Kanonen der Carfax Tod und Verderben hinüber zur Natividad.
    Wer immer die Geister an den Geschützen in ihrem ersten Leben gewesen waren, sie wussten, wie man eine Kanone bediente. Und wie man mit dem ersten Schuss einen zielgenauen Treffer setzte.
    Der Donner der Geschütze erschütterte die Carfax bis hinab zum Kiel. Für einen Augenblick erzitterte die Takelage, als sei das Schiff auf Grund gelaufen. Gelblicher Pulverdampf wehte nach hinten über das Deck und wurde vom Fahrtwind von Bord gerissen. Munk, der noch nie eine Seeschlacht erlebt hatte, kniff die Augen zusammen, als der beißende Qualm über ihn hinwegtrieb. Walker aber atmete tief ein, als genieße er den Geruch, und Jolly legte die Hände fester um die Balustrade, als wollte sie sich gegen den Wind und den Rauch der Geschütze stemmen.
    Das Eisengewitter fegte über die Decks der Natividad hinweg, zerfetzte Teile der Takelage und ließ Reste von Seilen und Segeltuch auf die Mannschaft des Kopfgeldjägers herabregnen. Zwei Kugeln rissen oberhalb der Wasserlinie Löcher in den Rumpf des Schoners, aus dem Inneren drang das Geschrei der Verwundeten und Sterbenden. Splitter spritzten in alle Richtungen wie Dolche. Die Kugeln hatten das Kanonendeck der Natividad getroffen und mehrere Geschütze auf einen Schlag zerstört.
    Eine Gestalt stand verbissen oben auf der Brücke, unbehelligt von der Zerstörung an Bord des Schiffes, und brüllte Befehle: Captain McBain. Er dachte nicht daran, aufgrund eines einzigen Treffers aufzugeben. Sein wütendes Geschrei schallte über die Kluft zwischen den Schiffen und jagte Jolly einen Schauder über den Rücken.
    Die Geister gingen sofort daran, die Kanonen nachzuladen, doch die verbliebenen Geschütze der Natividad waren schon feuerbereit.
    »Jetzt sind sie an der Reihe«, flüsterte Griffin. Zum ersten Mal sah Jolly echte Besorgnis auf seinen Zügen. Irgendwie wollte das nicht zu dem lebensfrohen, übermütigen Jungen passen, als den sie ihn sonst kannte.
    Es hatte keinen Zweck, in Deckung zu gehen. Kanonenkugeln vermochten jede Reling, jede Bordwand zu durchbrechen. Die Gefährten konnten ebenso gut hier oben stehen und die Attacke ihres Feindes erwarten; keiner der Erwachsenen kam auf die Idee, Jolly und die Jungen nach unten zu schicken. Man behandelte sie als gleichwertige Mannschaftsmitglieder. Jetzt war es fast wie früher auf der Mageren Maddy, wenn Bannon sich und seine Crew einmal mehr in ein scheinbar aussichtsloses Abenteuer stürzte - und doch am Ende als Sieger aus dem Kampf hervorging.
    Kanonendonner wischte Jollys Erinnerungen hinweg. Aus den Geschützpforten der Natividad drang Rauch und vernebelte das gesamte Schiff.
    »Achtung!«, brüllte Walker, und nun zogen doch noch alle die Köpfe ein.
    Eisen fächerte über das Deck der Carfax, Holz zerbarst und Teile der Takelage rissen auseinander. Jolly sah einen Geist, der von einer Kanonenkugel durchschlagen wurde, zu Nebelfetzen zerstob und sich sofort wieder zusammensetzte. Ihr wurde klar, wie überlegen ihre eigene Mannschaft jener des Kopfgeldjägers war. Neuer Mut machte sich in ihr breit, mehr noch, als Walker rief:
    »Keine Masten beschädigt! Kein Leck im Rumpf!«
    Im Überschwang des Triumphes hieb er Buenaventure auf die Schulter. »Jetzt kriegen wir sie.«
    Die nächste Breitseite der Carfax explodierte über die See hinweg, und der Rauch, der diesmal um die Natividad aufwallte, war nicht mehr der ihrer eigenen Geschütze. Eine Kugel musste die Pulverkammer getroffen haben, denn nun brach Feuer aus unter dem Deck des Schoners. Als der Qualm rund um die Brücke aufklarte, sah Jolly schaudernd, dass Captain McBain verschwunden war -und mit ihm ein Großteil des Heckaufbaus.
    Walker jubelte noch lauter, Buenaventure stieß ein begeistertes Bellen aus, und sogar Soledad wurde so übermütig, dass sie dem Captain erleichtert um den Hals fiel - wenn auch nur für einen Augenblick. Fast sofort prallte sie zurück, erstaunt über sich selbst, und klopfte sich die Kleidung ab. Walker grinste und flüsterte dem Pitbullmann etwas zu, das diesen in kläffendes Gelächter ausbrechen ließ.
    Die düstere Miene des Geisterhändlers blieb unverändert. »Sie drehen ab«, sagte er leise. Jolly fragte sich, warum der Wind seine Kapuze nicht nach hinten riss. Es war, als könnte ihm die Kraft der Elemente nichts anhaben, als machten die Winde einen Bogen um ihn.
    Wo steckten eigentlich die beiden Papageien? Seit Beginn der

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