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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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stehen und rannte davon.
    »Munk, warte!«, rief Jolly ihm hinterher.
    Griffin stieß einen tiefen Seufzer aus, nahm das Tuch aus dem kalt gewordenen Wasser und tupfte damit ihren Rücken sauber. Sie zappelte ungeduldig, rieb sich mit einer Hand durchs Gesicht, ließ sich dann aber doch auf den Bauch sinken und blieb liegen.
    Griffin sah sie verwundert an. »Willst du ihm nicht nachlaufen?«
    Jolly rollte sich auf den Rücken. »Würde das denn irgendwas ändern?«

Urvater

    Urvater saß in seinem Ohrensessel und erklärte die Welt. Jolly war allein mit ihm in dem hohen Bücherdom.
    Niemand wusste, wo Munk steckte. Sie hatte am Morgen bei ihm geklopft, aber er hatte nicht geöffnet. Seine Tür war verschlossen. Von den Dienern hatte ihn keiner gesehen. Urvater war ebenso verwundert wie sie, dass Munk nicht zum Unterricht erschienen war.
    Soledad hatte sie gewarnt. Jolly hätte wissen müssen, dass es so kommen würde, früher oder später. Andererseits sah sie es nicht ein, ihre eigenen Gefühle zu verleugnen, nur damit Munk nicht wütend auf sie war. Das wiederum hätte sie nur wütend auf ihn gemacht. Alles in allem jede Menge Ärger, wie sie sich seufzend eingestand.
    »Die Welt«, sagte Urvater mit seiner sonoren, einprägsamen Stimme, »ist eigentlich nicht eine Welt, sondern besteht aus vielen. Manche sagen, diese Vielfalt liege nebeneinander, und die Welten berühren sich dann und wann. Aber ich denke, sie sind übereinander angeordnet wie runde Scheiben. Stell dir einen Stapel Teller vor. Das ist das Universum.«
    Sie hatte anderes im Kopf, als sich Welten als Geschirr auszumalen. Und doch drang etwas von dem, was er sagte, zu ihr durch.
    »Dann wäre der eine Teller unsere Welt«, sagte sie, »und ein anderer das Mare Tenebrosum. Glaubst du, es gibt noch viele andere?«
    »Unzählige.«
    »Aber unsere Welt ist doch schon so groß… und so schwer zu verstehen.« Für ihn mochte es klingen, als dächte sie an weiße Flecken auf der Landkarte, an unbekannte Kontinente und weit entfernte Länder. In Wahrheit aber meinte sie etwas ganz anderes.
    »Nur weil du die Sterne am Himmel nicht alle zählen kannst, werden es nicht weniger, oder? Niemanden interessiert es, was der Mensch begreift und was nicht. Jede Welt hat ihre eigenen Kämpfe auszutragen, jede hat ihre eigenen Sorgen.«
    Ihr war das im Augenblick egal. Sie hatte eine Welt zu retten - und eine Freundschaft. Und hing nicht das eine womöglich vom anderen ab? Wie sollte sie das irgendjemandem erklären?
    Urvater fuhr fort, ohne den Tränenschleier auf ihren Augen zu bemerken. »Die meisten Menschen stellen sich Vergangenheit und Zukunft unserer Welt als eine Linie vor, die irgendwo anfängt und irgendwann an einem fernen Punkt enden wird. Oder einem gar nicht so fernen, je nachdem, wen du fragst.«
    Sein Lächeln war verschmitzt wie das eines Kindes und zugleich ein wenig traurig. »In Wirklichkeit bewegt sich die Zeit aber im Kreis. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Die Zeit ist nur der Rand des Tellers, sie führt immer wieder zu sich selbst zurück. Die Welt ist aus Wiederholungen gemacht.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Dein Kampf gegen den Mahlstrom zum Beispiel. Andere haben das Gleiche schon vor tausenden von Jahren getan. Derselbe Gegner - ein ähnlicher Kampf. Und wenn du zurückblickst in die Geschichte und die Überlieferungen, so hat es immer wieder einzelne Menschen gegeben, deren Aufgabe es war, die Welt vor dem Schlimmsten zu bewahren. Und hat einer von ihnen je versagt?«
    »Vielleicht bin ich ja die Erste.« Sie strich sich fahrig durchs Haar. »Da geht’s mir gleich viel besser.«
    Er schüttelte den Kopf. »Hör mir zu, Jolly. Die Dinge wiederholen sich. Alle Dinge! Wir erkennen es nur nicht unbedingt. Die Zeit ist ein Kreis, sie rast mit irrwitziger Geschwindigkeit um den Teller, immer wieder von neuem.«
    »Und was hilft es mir, das zu wissen?«
    »Du sagst, du seist einfach nur ein Mädchen. Aber das stimmt nicht. Jedenfalls nicht mehr.« Er hob eine Hand. »Nein, warte, hör zu! Die Welten werden sich niemals von sich aus überschneiden. Manche behaupten das Gegenteil, sogar dein einäugiger Freund. Die Wahrheit aber ist, dass es keine Überschneidungen gibt. Nur Wesen, die in den Welten leben, können die Verbindung schaffen.«
    »Und?« Sie wurde allmählich ungeduldig. Worauf wollte er hinaus?
    »Die meisten Menschen werfen niemals einen Blick in andere Welten. Sie begreifen die Zusammenhänge nicht, sie versuchen es nicht

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