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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wasser. Mit wenigen Schwimmstößen glitt er seitlich an Jasconius’ riesigem Auge vorüber, das ihn neugierig beobachtete. Griffin wollte erst weiterschwimmen, aber dann verharrte er paddelnd im Wasser und wandte sich dem mächtigen schwarzen Auge zu, mindestens doppelt so groß wie er selbst.
    Es war das erste Mal, dass er den Wal direkt anschauen konnte. Die gewölbte Oberfläche des Auges spiegelte - es sah aus, als sei Griffins Ebenbild in einer dunklen Glaskugel gefangen. Aber da war noch mehr als nur Neugier im Blick des Tiers. Ein Hauch von Melancholie?
    Griffin trieb so lange vor Jasconius’ Auge, bis Ebenezer besorgt nach ihm rief, und selbst dann gelang es ihm nicht gleich, sich von dem Anblick zu lösen. Er hatte noch nie etwas Schöneres gesehen. Etwas, das ihn zugleich mit einer unerklärlichen Trauer erfüllte, so als färbe etwas von der jahrhundertelangen Einsamkeit des Ungetüms auf ihn ab. Was ging vor im Schädel des Wals? Was dachte er über die Winzlinge in seinem Inneren? War er nach so langer Zeit froh über ein wenig Gesellschaft?
    Ein tiefes Brummen ertönte, fast ein Trompeten - die Stimme des Wals. Es war ein warmer, freundlicher Laut, und plötzlich konnte Griffin nicht anders, als dem Walauge zuzulächeln und ihm mit einer Hand zuzuwinken. Es war ein wunderbarer, verwirrender Moment. Dann erst wandte er sich schweren Herzens ab, so als wäre da noch etwas gewesen, das der Wal ihm hätte mitteilen wollen, tausend Geschichten aus tausend Jahren.
    Ebenezer streckte ihm beide Hände entgegen und half ihm, ins Innere des Schlundes zu klettern.
    Griffin deutete aus dem Maul ins Freie. »Diese Richtung«, sagte er, dann fielen er und der Mönch sich erleichtert in die Arme.
    Eilig machten sie sich auf den Rückweg in die Magenhöhle und zur Tür auf dem Trümmerhügel.
    Hinter ihnen schloss Jasconius das Maul und wartete, bis sie die magischen Räume erreicht hatten. Dann tauchte er unter und schwamm mit mächtigen Flossenstößen der Seesternstadt entgegen.

Im Strudel

    Jolly wußte nicht, wie lange sie schon unterwegs waren, als Hauptmann D’Artois den Kopf zu ihnen herumdrehte und wortlos nach vorn deutete. Sie reckte sich und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um im gleißenden Licht der Sonne etwas zu erkennen. Doch das Spektakel in der Ferne auf einen Blick zu erfassen war unmöglich. Sie musste den Kopf drehen, um von einem Ende zum anderen zu schauen.
    »Er ist so groß«, flüsterte sie. Weit, weit entfernt löste sich die Linie des Meeres zu einem grauen Dunst auf, nicht unähnlich der Nebelwand rund um Aelenium, und doch viel höher und unfassbar breit. Das Wasser unter ihnen war aufgewühlt, hatte aber nichts von der Unruhe eines aufziehenden Sturms an sich, zumal die Luft beinahe windstill war. Je weiter Jolly nach vorn blickte, desto deutlicher erkannte sie, dass sie sich bereits über den äußeren Ausläufern eines titanischen Strudels befanden: Das Meer bewegte sich in breiten, geschwungenen Bahnen von Westen nach Osten, wie Jahresringe eines aufgeschnittenen Baumstamms. Und es führte ganz allmählich abwärts, was nach allen ihr bekannten Regeln eigentlich unmöglich war.
    Immer wieder sprühte Gischt turmhoch empor in den Himmel, scheinbar ohne Grund, denn es gab keine Riffe oder Sandbänke, an denen sich die Wellen hätten brechen können. Die Oberfläche brauste und tobte, hier und da schienen die Wogen einen eigenen Willen zu besitzen, denn sie wandten sich auch gegeneinander, so als wären da manche unter ihnen, die gegen den grausamen Sog aufbegehrten. Schaum lag in Schlieren auf dem Wasser wie Hautfetzen auf gekochter Milch, und gespiegelt wurde hier nicht einmal mehr das Blau des Himmels, so aufgebracht, so vernarbt war die See. Stattdessen hatte sich die endlose Weite unter ihnen zu einem purpurnen Schwarz verfärbt, so als spülte der Aufruhr des Wassers die Finsternis aus der Tiefe empor wie die Tarnfarbe zehntausender Tintenfische.
    »Es wird noch viel schlimmer, wenn man näher heranfliegt«, sagte D’Artois. Seine Stimme klang rau und belegt.
    »Haben Sie das vor?«, fragte Soledad. »Den Mahlstrom zu überfliegen?«
    Jolly schauderte bei der Vorstellung.
    »Natürlich nicht. Das wäre viel zu gefährlich. Aber ich dachte, dass es gut wäre, wenn wir alle einmal sehen, mit was wir es zu tun haben. Mahlstrom ist nur ein Wort. Aber das dort unten, das ist…« Er schüttelte den Kopf, als ihm kein passender Begriff einfiel. »Ein Abgrund zwischen

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