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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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»Und jetzt wär ich wieder fast zu spät gekommen . Ihr wart gerade losgeflogen.«
    Sie küsste ihn erneut, heftiger diesmal, und sie drohten beide unterzugehen, weil sie vor lauter Freude das Schwimmen vergaßen. Beinahe hätte Jolly nicht daran gedacht, dass Griffin im Gegensatz zu ihr unter Wasser nicht atmen konnte.
    D’Artois’ Rochen kreiste jetzt niedrig über der Oberfläche. Wellenkämme leckten an dem Bauch des Tiers. Jolly sah, dass Soledad zufrieden lächelte, und aus irgendeinem Grund erschien ihr das ungeheuer großzügig und verständnisvoll angesichts der Lage. Ihr wurde zum ersten Mal bewusst, wie viel ihr die Prinzessin bedeutete.
    Unweit von ihr klatschte etwas ins Wasser, und dann tauchte Munk neben ihnen auf.
    »Hallo, Griffin«, sagte er und spuckte Salzwasser aus. Er lächelte, wenn auch ein wenig verbissen.
    »Munk.« Griffin nickte ihm zu, wandte sich noch einmal Jolly zu und gab ihr einen - viel zu kurzen - Kuss. Dann ließ er sie los. Sie wusste, warum er es tat: Er wollte die Kluft, die er gegen seinen Willen zwischen sie und Munk getrieben hatte, nicht noch größer werden lassen. Nicht in Anbetracht dessen, was ihnen bevorstand.
    Auch der Rochen des Geisterhändlers hielt sich jetzt tief über dem Wasser. Die Tiere kreisten um die beiden Jungen und das Mädchen im Wasser, während Matador einige Schritt entfernt in den Wogen schwamm. Der Luftzug der Schwingen wehte Jolly und den anderen kühl ins Gesicht. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie fröstelte. Oder war es doch die Gewissheit des Abschieds?
    Nun also war er da, der Moment, vor dem sie sich seit Wochen gefürchtet hatte. In ein paar Minuten würde sie mit Munk allein sein, dort unten in der Tiefe. Nur sie beide, ganz auf sich gestellt.
    Griffin schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, aber sie durchschaute die Fassade: Ihm ging es nicht um den Mahlstrom, um Aelenium oder gar um das Schicksal der Welt - er wollte nur, dass sie heil zu ihm heimkehrte. Und es war in diesem Augenblick, in diesen wenigen intensiven Sekunden, dass sie den unumstößlichen Beschluss fasste, ihm diesen Wunsch zu erfüllen: Komme, was wolle, sie würde nicht aufgeben. Sie würde tun, was getan werden musste. Und dann würde sie zurückkehren -zu ihm.
    »Jolly, Munk - passt auf!«
    Von den Rochen fielen Rucksäcke aus eingeöltem Leder ins Wasser. Die beiden ergriffen sie und schnallten sie eng auf ihre Rücken. Griffin half ihnen dabei, auch Munk, der es erst nach kurzem Zögern zuließ. In den Bündeln befanden sich wasserdichte Dosen mit gepökeltem Fleisch, Obst und ungekochtem Gemüse, außerdem Kokosnussstücke - Nahrungsmittel, die unter der Oberfläche ausgepackt werden konnten, ohne augenblicklich zu verderben oder sich mit Salzwasser voll zu saugen. Wie beim Sprechen drang auch beim Essen kein Wasser über die Lippen der Quappen, allerdings gestaltete sich dadurch auch die Trinkwasseraufnahme schwieriger: In den Rucksäcken befanden sich Flaschen mit verkorkten, engen Öffnungen, durch die sie den Inhalt wie durch Strohhalme aufsaugen konnten. All das hatten sie geübt, wie so vieles andere, damit ihre Mission nicht an etwas so Alltäglichem wie Essen und Trinken scheitern würde.
    »Denkt daran«, rief der Geisterhändler ihnen zu, als sie bereit zum Aufbruch waren, »bleibt immer dicht am Grund. Geratet nicht in Versuchung, unwegsames Gelände zu überschwimmen. Der Mahlstrom wird Strömungen nach allen Seiten ausstoßen, und er wird euch entdecken, wenn sie auf unerwarteten Widerstand stoßen.«
    »Woher weiß der Geisterhändler das alles?«, murmelte Griffin.
    Jolly ergriff unter Wasser seine Hand. »Ich glaube, er hat das alles schon einmal erlebt, damals, als die ersten Quappen den Mahlstrom im Schorfenschrund besiegt und in seine Muschel eingesperrt haben.«
    »Aber das ist tausende von Jahren her!«
    Jolly nickte. Sie hatte keine Zeit mehr, ihm zu berichten, was sie in der Zwischenzeit erfahren hatte, deshalb sagte sie nur: »Sprich mit Soledad. Sie weiß über alles Bescheid.«
    Er sah sie unsicher an, dann nickte auch er.
    Die Stimme des Geisterhändlers schob sich wie eine trennende Hand zwischen sie. »Es wird Zeit aufzubrechen!«, rief er von seinem Rochen herab.
    »Ja«, sagte Munk mit einem Seitenblick auf die beiden.
    Jolly versuchte, in seinen Augen zu lesen, doch er wandte sich rasch wieder ab. Sie sah Griffin an, küsste ihn ein letztes Mal, dann ließ sie seine Hand los.
    »Leb wohl«, sagte sie und fand es furchtbar,

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