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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dass ihr nichts Besseres einfiel, etwas, das alles zum Ausdruck brachte, was sie fühlte und für ihn empfand.
    »Viel Glück«, sagte Griffin. »Kommt bald zurück, alle beide.« Er glitt mit einem Schwimmstoß zu Munk hinüber und schüttelte ihm unter Wasser die Hand.
    »Passt auf euch auf.«
    Munk nickte ihm abgehackt zu.
    Jolly blickte von Soledad über D’Artois und den Geisterhändler zu Griffin. Dann wogten die Schatten der Rochen über sie hinweg.
    Als einen Augenblick später die Sonne jene Stelle beschien, an der die Quappen gerade noch im Wasser getrieben hatten, waren beide verschwunden.
    Das Gefühl war nichts Neues mehr und hatte längst jeden Reiz verloren. Mit angelegten Armen und Beinen rauschten Jolly und Munk in die Tiefe, unberührt vom Wasserdruck, der jeden anderen Menschen schon nach den ersten Minuten getötet hätte. Die Quappensicht erlaubte ihnen, einige hundert Fuß weit zu sehen, doch hier unten gab es nichts, das ihre Augen hätten erfassen können.
    Sie fielen durch ein Nirgendwo aus Grau in Grau, denn die Quappensicht entzog den Dingen einen Großteil aller Farben, machte sie blass und unscheinbar und hässlich -selbst wenn Dinge da gewesen wären, die sie hätten sehen können. Doch um sie herum war nichts, nur leeres Wasser, in dem ab und an Schwärme winziger Partikel schwebten. Keine Fische. Keine Spur von Leben. Der Heerzug der Klabauter hatte alles Lebendige aus diesem Teil der See vertrieben.
    »Glaubst du, es sind noch welche hier?«, fragte Jolly. »Klabauter, meine ich.«
    Munk zuckte die Achseln, während sie immer weiter abwärts schwebten. »Vielleicht. Aber eigentlich macht das keinen Sinn. Sie werden nötiger in Aelenium gebraucht als hier draußen.«
    Jolly dachte über das nach, was der Geisterhändler gesagt hatte. Über die Strömungen, mit deren Hilfe der Mahlstrom sie suchen und finden konnte. Waren sie erst einmal am Meeresgrund angekommen, mochten sie davor vielleicht sicher sein. Aber was war jetzt, während sie immer noch abwärts sanken?
    Waren sie den Suchströmen des Mahlstroms nicht hilflos ausgeliefert?
    Hastig verdrängte sie den Gedanken und konzentrierte sich, irgendetwas in ihrer Umgebung wahrzunehmen, woran sich ihr Blick festhalten konnte. Aber da war nichts außer Munk, der auf einer Höhe mit ihr schwebte. Sie hatte nicht einmal wirklich das Gefühl zu sinken, da das Wasser ihnen keinen spürbaren Widerstand bot und es nirgends etwas zu sehen gab, anhand dessen sich ihre Geschwindigkeit abschätzen ließ. Sanken sie langsam? Oder mit halsbrecherischem Tempo?
    Während der Übungen in den Gewässern rund um Aelenium war immer die Unterstadt in der Nähe gewesen, das Gebilde scharfzackiger Korallenstrukturen an der Unterseite des Riesenseesterns. Sein Anblick hatte es leichter gemacht, sich zu orientieren. Hier draußen aber gab es nichts dergleichen.
    Jollys Niedergeschlagenheit wuchs in einem Maße, das immer schwerer zu ertragen war. Sie sah Munk an, dass es ihm ähnlich erging. Seine Züge waren verschlossen, so als sei er selbst im Sog seiner düsteren Gedanken gefangen. Irgendwann griff sie nach seiner Hand, während sie Seite an Seite tiefer sanken. Er erwiderte die Geste so dankbar, dass in ihr erstmals die Hoffnung aufkeimte, er könnte ihren Streit vergessen und wieder ganz der Alte werden, derselbe liebenswerte, verspielte Munk, dem sie damals auf der Insel seiner Eltern begegnet war. Derselbe Munk, dem sie gezeigt hatte, wie man mit einer Kanone schießt, und der davon geträumt hatte, ein Pirat zu sein.
    Die Wochen, die seither verstrichen waren, hatten ihn verändert, hatten ihn verschlossener, grimmiger und undurchschaubarer gemacht. Aber vielleicht schwanden all diese Züge nun wieder, und sie konnten Freunde sein wie früher. Hier unten waren sie aufeinander angewiesen, und es würde Zeiten geben, in denen sie einander Mut machen und sich trösten mussten. Wie sollte das gehen, wenn Munk sie noch immer hasste, weil sie sich in Griffin und nicht in ihn verliebt hatte?
    Jolly verlor jegliches Zeitgefühl, während sie Hand in Hand in den Abgrund sanken. Einmal zuckte etwas am Rande ihres Sichtfeldes vorüber, womöglich doch ein Fisch. Nicht groß genug für einen Klabauter, Gott sei Dank.
    Sie mochten jetzt eine oder auch mehrere Stunden unterwegs sein, und die meiste Zeit über schwiegen sie. Beide vermieden es, ihren Streit zur Sprache zu bringen. Früher oder später würden sie darüber reden müssen, das wusste Jolly. Es hatte

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