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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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drei geheimnisvollen Frauen tief am Meeresgrund zu Jolly gesagt hatten. Auch wenn Soledad nicht ganz sicher war, was sie davon zu halten hatte, konnte sich Griffin kaum vorstellen, dass Jolly einer Halluzination erlegen war. Vielleicht war Aelenium wirklich ein Ort, an den sich die Götter von einst zurückgezogen hatten, ehe sie in Vergessenheit gerieten und starben. Und vielleicht war Urvater tatsächlich der Schöpfer selbst, die erste Gottheit, die diese Welt geschaffen hatte.
    Griffin fand das alles ebenso unglaublich wie Soledad. Aber manches passte durchaus ins Bild, angefangen bei der Existenz einer so unbegreiflichen Stadt, wie Aelenium eine war, bis hin zu den merkwürdigen Fähigkeiten des Geisterhändlers und dem, was Hauptmann D’Artois ihm einmal über Urvater erzählt hatte: Er sei die Seele Aeleniums, hatte er damals gesagt. Womöglich war das weit mehr gewesen als eine Floskel.
    Griffin nahm die letzten Stufen und erreichte den Palastplatz. Die Wächter, die normalerweise das Tor bewachten, waren abgezogen worden. Die Gefahr drohte nicht hier - hoch über dem Wasser -, sondern weiter unten an den Ufern des Seesterns.
    Auch im Palast begegnete Griffin kaum jemandem. Die meisten Frauen und Kinder verbargen sich in Schutzräumen tief im Kern der Stadt. Es gab keine Bediensteten mehr auf den Korridoren, der Gästetrakt war wie leer gefegt. Eine bedrückende Atmosphäre lag über den verlassenen Gängen und Sälen. Mehr als einmal glaubte Griffin, hinter sich die Fußtritte eines Verfolgers zu hören; dann aber war es doch nur der Hall seiner eigenen Schritte.
    Er lief an seiner Kammer vorbei und verzichtete darauf, die Piratenkluft gegen eine neue Lederuniform einzutauschen. Er hatte sich seine Kleidungsstücke zwischen den Trümmern im Bauch des Wals zusammengesucht: eine lederne Hose, ein schwarzes Hemd und eine Weste, in die man über dem Herzen eine verbogene spanische Golddoublone eingenäht hatte: offenbar ein Glücksbringer.
    Der Flug auf dem Rochen hatte die Sachen getrocknet und sogar einen Großteil des Fischgeruchs daraus vertrieben. Und, überlegte Griffin, es spielte nicht wirklich eine Rolle, welche Kleidung er im Kampf gegen Klabauter und Kannibalen trug. Zähne und Krallen drangen auch durch Leder.
    Vor Jollys Tür blieb er stehen. Es tat weh, sich vorzustellen, sie könnte dahinter noch immer auf ihn warten - ganz abgesehen davon, dachte er mit einem melancholischen Lächeln, dass es gewiss nicht ihre Art war, auf irgendjemanden zu warten.
    Die Tür war nicht verschlossen, er konnte ungehindert eintreten. Das Bettzeug war zerwühlt.
    »Sieht aus, als hätte Jolly in ihrer letzten Nacht in Aelenium Albträume gehabt«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    Griffin wirbelte herum. »Also hab ich doch Schritte gehört.«
    Soledad schüttelte lächelnd den Kopf. »Meine bestimmt nicht. Keiner hört mich, wenn ich es nicht will.« Das klang ein wenig großspurig, aber Griffin wusste, dass die Prinzessin die Wahrheit sagte. Selbst wenn sie einfach nur neben einem herging, besaßen ihre Bewegungen etwas Fließendes, Katzenhaftes.
    Mit einem unterdrückten Seufzen wandte er sich wieder dem verlassenen Zimmer zu. »Ich glaube, Jolly hat oft schlecht geträumt - nicht nur in dieser Nacht.«
    Es war ein seltsamer Augenblick, in dem sie beide einfach dastanden, auf das unordentliche Bettzeug starrten und ihren Gedanken an Jolly nachhingen.
    Griffin räusperte sich. »Wir reden von ihr, als käme sie nicht mehr zurück.«
    »Sie wird zurückkommen.«
    »Ja«, entgegnete er leise. »Das wird sie.«
    »Niemand geht auf eine solche Reise, ohne sie vorher im Kopf hundertmal durchzuspielen«, sagte Soledad. »Auch im Traum, ob man nun will oder nicht.«
    Griffin schauderte bei dem Gedanken an die Schrecken, die Jolly sich ausgemalt haben mochte, und mehr noch fröstelte er bei der Vorstellung, was sie dort unten tatsächlich erwartete. Seine Fantasie erschöpfte sich in Bildern grässlicher Ungeheuer, ehe er zu einem viel näher liegenden Schrecken gelangte: der Einsamkeit in der schwarzen Ödnis der Tiefsee.
    Soledad schienen die gleichen Gedanken zu bewegen. »Die größte Angst hatte sie, glaube ich, nicht vor dem Mahlstrom.« Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihn an, bis er ihren Blick erwiderte. »Sondern vor Munk, oder?«
    »Ja«, sagte er. »Ich denke, schon.«
    »Ist er da unten eine Gefahr für sie?«
    Griffin war erstaunt, dass Soledad darüber nachgedacht hatte. Bislang hatte er geglaubt, er sei

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