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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihr irgendetwas entgangen? Hatte er eine Gefahr bemerkt, die sie selbst noch nicht sah? Gleichsam ohne ihr Zutun rutschte ihre Hand zu den eigenen Muscheln in der Gürteltasche.
    Munk schaute nicht auf. Seine Finger schoben Muscheln innerhalb ihrer Kreisform umher, sortierten einzelne aus, ersetzten sie durch andere oder veränderten die Reihenfolge, als suche er nach einer ganz bestimmten Kombination. »Urvater hat gesagt, wir sollen ausprobieren, wie die Muscheln auf die Nähe des Mahlstroms reagieren. Ob sie sich anders verhalten als sonst. Das sei wichtig, hat er gesagt.« Er verharrte kurz, betrachtete den Muschelkreis und blickte dann doch noch zu Jolly auf. »Du kannst das nicht wissen, du warst ja nicht da.«
    Sie erwog, es ihm gleichzutun und ihre Muscheln auszupacken. Dann aber ließ sie es bleiben; diesen Triumph gönnte sie ihm nicht.
    »Was sagen sie?«, fragte Aina an Munk gewandt.
    Sagen?, dachte Jolly.
    Munk schaute lächelnd zu Aina auf, sichtlich erfreut, dass da jemand war, der offenbar mehr von Muschelmagie verstand als Jolly. »Sie sprechen, aber nur undeutlich. Es ist mehr ein… hmm, so was wie ein Zerren. Sie wollen, dass wir weitergehen, so als würde etwas sie anziehen.«
    Jolly starrte ihn an. Ihre Finger verkrallten sich in ihrer Gürteltasche.
    »Ich habe meine eigenen Muscheln aus dem Mahlstrom mitgenommen«, sagte Aina. »Ich dachte, vielleicht kann ich den anderen damit helfen, irgendwie. Aber ich habe sie nicht eingesetzt.« Sie stockte.
    »Ich hatte Angst, dass er mich dann leichter finden könnte.«
    Munk war hellhörig geworden. »Das müssen sehr alte Muscheln sein, wenn du sie damals mit hierher gebracht hast.«
    Alter war, so viel hatte Jolly über Muscheln gelernt, gleichbedeutend mit Macht. Je länger eine Muschel im Meer gelegen hatte, desto größer war die Magie, die ihr innewohnte.
    Ainas Blick richtete sich in die Dunkelheit jenseits des Abgrunds. Ihre Stimme klang jetzt fast ein wenig wehmütig. »Sie waren all die Zeit über mit mir im Schorfenschrund gefangen. Zusammen mit meinen Freunden - und mit dem Mahlstrom.«
    »Ich könnte sie benutzen«, sagte Munk mit unverhohlener Begeisterung. »Ich könnte versuchen, sie gegen den Mahlstrom einzusetzen. Sie müssen viel mächtiger sein als meine eigenen.« Als wollte er seinen Worten zusätzliches Gewicht verleihen, schob er seine gerade erst so sorgsam ausgelegten Muscheln achtlos auf einen Haufen und packte sie mit rieselndem Seesand zurück in die Gürteltasche.
    Aina schüttelte traurig den Kopf. »Das geht nicht«, sagte sie. »Ich hab sie nicht mehr.« Sie schaute zu Boden. »Ich habe sie unterwegs zurückgelassen.«
    Munk hob seine Hand, wie um sie zu trösten, doch dann besann er sich, dass sie keinen festen Körper hatte.
    Jolly runzelte die Stirn. Mehr und mehr fühlte sie sich von den beiden ausgeschlossen. Etwas war da zwischen Munk und Aina, das sie nicht verstehen konnte. Beiläufige Bewegungen erschienen ihr fast wie geheime Gesten. Und waren da nicht auch verstohlene Blicke zwischen ihnen?
    Verfolgungswahn, dachte sie und erinnerte sich an Momente in ihrem früheren Leben, einsame Nachtwachen an Deck der Mageren Maddy, in denen ihr Verstand ihr ganz ähnliche Streiche gespielt hatte: Bewegungen im Dunkeln, schlurfende Schatten an Deck, Gestalten, die sich hinter den Masten verbargen - alles Hirngespinste, aber deshalb nicht weniger beängstigend.
    Sie schwiegen einen Moment lang. Plötzlich richtete sich Munk auf. Seine Augen blitzten. »Wir werden Ainas Muscheln suchen«, sagte er entschieden.
    »Wir werden sie finden und ihre Freunde befreien.«
    Ein Strahlen machte sich auf seinem Gesicht breit, als sei der Kampf gegen den Mahlstrom bereits entschieden.
    Aina zog die Augenbrauen zusammen, dann blickte sie zu Jolly herüber, als bäte sie um ihr Einverständnis. »Vielleicht hat Munk Recht. Wir könnten sie suchen und benutzen«, sagte sie vorsichtig.
    Auch er schien sich plötzlich an Jolly zu erinnern. Fast ein wenig ungehalten wandte er sich zu ihr um.
    »Was meinst du?«
    Interessiert dich das wirklich?, dachte sie, sagte aber stattdessen: »Klingt vernünftig.« Es hatte keinen Sinn, in so einem Moment ihre Gefühle zu diskutieren. In Sachen Muschelmagie musste sie auf Munks größere Erfahrung vertrauen. Hoffentlich wusste er, was er tat.
    Munk drehte sich auf dem Absatz um. »Gut«, sagte er, »dann lasst sie uns suchen.«
    »Hier müssen sie irgendwo sein«, sagte Aina, nachdem sie den Fuß der

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