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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihn nicht hören konnte.
    Ismael schien rascher zur Vernunft zu kommen als er. »Lass uns zurück zur Stadt fliegen. Da können wir mehr ausrichten als hier. Das dort unten ist nicht mehr unser Kampf.«
    Die Meeresoberfläche brach auf. Eine kreisförmige Fontäne erblühte unter ihnen und griff mit glitzernden Wasserfingern nach dem Rochen und seinen beiden Reitern. In ihrem Zentrum tauchte Jasconius’ Rücken auf und noch etwas, das Teile von ihm bedeckte, eine breit gelaufene, gallertartige Masse wie Gelee. Oder wie eine gigantische Qualle, die sich auf dem Leib des Wals festgesetzt hatte.
    »Das ist er«, entfuhr es Griffin.
    »Was?« Ismaels Stimme bebte. »Dieses… Zeug?«
    »Das ist sein Körper. Deshalb hat er laufend seine Form verändert.«
    Das silbrige Quallengeschöpf versuchte offenbar, sich um Jasconius’ Leib zu schließen und ihn so zu erdrücken. Aber da war noch etwas. Griffin erkannte es erst auf den zweiten Blick. Und obwohl es jetzt direkt vor ihm war, traute er seinen Augen kaum.
    »Heilige Muttergottes!«, stieß Ismael aus. »Siehst du das auch?«
    »Ja… ja, natürlich.«
    »Ist das ein Mensch?«
    Griffin tätschelte den Rücken des Rochens, damit er ruhiger flog. Die Wasserfontänen waren längst wieder in sich zusammengefallen, aber der Wal und sein Gegner befanden sich noch immer an der Oberfläche. Jasconius tobte und schüttelte sich, schlug mit der haushohen Schwanzflosse und stieß zornig Wasserfontänen aus seiner Rückenöffnung; sie war noch nicht von der Gallerte bedeckt, obgleich sich die Ränder der Masse mit schmatzenden Geräuschen aufeinander zuschoben. Bald mussten sie sich um den Walkörper schließen.
    Was Griffin und Ismael jedoch so erschütterte, war die menschliche Gestalt, die inmitten der Quallenmasse ruhte, mit ausgestreckten Armen und Beinen, unbekleidet, den Blick nach oben gewandt. Der silbrige Schleim presste sie mit dem Rücken auf den Walkörper.
    »Das ist ja noch ein Kind!«, rief Ismael.
    »Ist das einer von uns? Aus Aelenium?«
    »Hab ihn jedenfalls noch nie gesehen.«
    Es war ein Junge, vielleicht ein wenig jünger als Griffin, obgleich sich das aus der Entfernung nicht mit letzter Gewissheit sagen ließ. Er hatte pechschwarzes Haar, und seine Haut war dunkler als die von Griffin oder Ismael. Einer der Eingeborenen von den Inseln. Die durchscheinende Masse floss und schob sich über ihn hinweg, presste ihn an den Leib des Wals, und nach allen Gesetzen der Natur hätte der Junge tot sein müssen, erstickt von der milchigen Substanz der Riesenqualle.
    Und doch lebte er. Seine Lippen öffneten und schlossen sich, so als riefe er etwas. Dabei füllte die Masse seine Mundhöhle aus. Kein Laut drang hervor. Normalerweise hätte Griffin angenommen, dass sich der Junge in der klebrigen Substanz verfangen hatte, vielleicht von ihr aufgesogen worden war - doch das Mienenspiel des Fremden machte ihn stutzig.
    Der Junge schien zornig zu sein. Aus seinen Zügen sprach blanker Hass, und die Worte, die er ausstieß, waren womöglich gar keine Hilferufe, sondern Befehle.
    War er der Herr der Klabauter? Ein Mensch, ein Kind noch, das die Quallenmasse nur als Transportmittel benutzte, als Panzer für seinen eigenen schwachen Körper?
    War er es, der über die Tiefen Stämme gebot und die Riesenqualle jetzt zu größerer Wut aufstachelte, dazu, den Wal noch schneller zu besiegen, noch rascher zu töten?
    »Können wir ihn irgendwie befreien?«, fragte Ismael, der Griffins Befürchtungen offenbar nicht teilte. Für den Schützen war dies nur ein Kind, das ihre Hilfe brauchte.
    Griffin aber ahnte, dass die Wahrheit eine andere war. Dieser Junge und der Quallenkörper, der ihn umgab wie Bernstein ein Urzeitinsekt, formten zusammen ein einziges Wesen, nicht mehr Mensch, aber auch nicht ganz Monster. Sie waren - gemeinsam - der Herr der Klabauter. Der Statthalter des Mahlstroms in dieser Schlacht der Menschen und halb vergessenen Götter.
    Jasconius tauchte wieder unter und riss die Qualle und den Jungen mit sich. Abermals schäumte das Wasser, brachen sich die Wellen aneinander, und wieder verschwanden beide unter grauer Gischt und dem Widerschein der Feuerlohen auf den Wellen.
    »Zurück zur Stadt!«, brüllte Ismael. Zum ersten Mal lag Panik in seiner Stimme, gemischt mit völliger Fassungslosigkeit.
    »Nein«, erwiderte Griffin. »Ich muss sehen, wie der Kampf ausgeht.«
    Ismaels Hand legte sich um seine Schulter. Seine Finger pressten sich schmerzhaft in Griffins

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