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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gewonnen. Was also würde nach alldem hier von der heutigen Karibik bleiben?
    Kangusta fuhr fort: »Du denkst, der Mahlstrom kommt von drüben, aus dem Anderen Meer, nicht wahr? Aber das ist nicht wahr. Der Mahlstrom stammt aus dieser Welt. Er war einmal ein kleines Tier wie du. Das war er.«
    »Wie ich?«, wiederholte Jolly verblüfft.
    »Ein kleines Tier mit großer Macht. Du hast es gesehen. Dasselbe, das dich hier eingesperrt hat. Das erste kleine Tier, das hier herunterkam.«
    »Aina!«
    »Wenn du es so nennst… ja.«
    »Aber sie ist ein Mensch. Eine Quappe.«
    »Sie war wie du.« Ssssssie, zischte Kangusta.
    »Und sie ist gekommen, um den Mahlstrom zu besiegen.«
    Das Ungeheuer lachte grollend. »Es gab keinen Mahlstrom, als sie hergekommen ist. Sie ist dazu geworden. Sie ist der Mahlstrom.«
    Jolly vergaß für einen Moment ihre Schwimmbewegungen und drohte abzusinken. Die Leuchtfische wirbelten aufgeregt um ihr Gesicht und schreckten sie auf. Mit einer Ruderbewegung brachte sich Jolly wieder an die Höhlendecke.
    »Wie kann Aina der Mahlstrom sein?«
    »Ich schmecke nicht alles aus dem Wasser«, sagte Kangusta langsam. »Aber ganz am Anfang, gleich nachdem sie meine Kinder gegen mich aufgebracht hatte, ist sie in den Berg gekommen. Sie wollte mich quälen. Quälen wollte sie mich.« Sie verstummte einen Moment. »Hat mir alles erzählt, das kleine Tier.
    Wie sie von den anderen Tieren verstoßen worden ist, weil sie anders war, mächtiger. Wie sie gespürt hat, dass in der Tiefe etwas vor sich ging. Damals drängten die Mächte des Anderen Meeres zu uns herüber. In mein Reich! Das kleine Tier kam und verfiel den Gedanken und Versprechungen der Fremden. Es versuchte, ein Tor für sie zu öffnen . selbst zu einem Tor zu werden, durch das die anderen in unsere Welt gelangen konnten.« Je länger Kangusta sprach, desto klarer wurde ihre Stimme. Es war, als kehrte mit jedem Satz ein Teil ihrer Erinnerung an damals zurück - an den Mahlstrom, an den Krieg gegen das Mare Tenebrosum, vor allem aber an sich selbst. Sie erinnerte sich, wie es gewesen war, mit einem Lebewesen zu reden und Wissen auszutauschen. Es machte sie nicht menschlicher, aber weniger monströs.
    »Unter den Einflüsterungen der anderen wurde das kleine Tier zum Mahlstrom. Ich konnte nichts dagegen tun, denn ich habe damals keine magische Kraft besessen, und ich besitze sie heute nicht . Aber sag das ja niemandem weiter.«
    »Keine Sorge«, sagte Jolly dumpf.
    »Der Mahlstrom ergriff die Macht über mein Reich und meine Kinder.«
    Jolly dachte über Kangustas Worte nach. So unglaublich das alles klang, es ergab einen Sinn. Aina war von den Menschen verstoßen worden - das hatte sie ihnen selbst erzählt. Und was die Verlockungen betraf, die die Meister des Mare ausübten - Jolly hatte sie am eigenen Leib gespürt. Sie erinnerte sich an ihre Visionen damals auf dem Deck der Carfax. Wenn Buenaventure nicht gewesen wäre .
    Sie schüttelte sich, wie um die Bilder in ihrem Kopf loszuwerden. Fast hätte sie vergessen, wo sie sich befand. Nachdenklich blickte sie auf den riesenhaften Kopf der Klabautermutter. Vielleicht musste sie ihre Meinung über Kangusta revidieren. Gewiss, sie war hinterhältig und scheußlich anzusehen - aber sie war nicht einfältig. Das Mitleid, gegen das Jolly sich die ganze Zeit über gewehrt hatte, machte sich nun doch in ihr breit - vermischt mit der Furcht, die sie noch immer vor diesem Ungetüm verspürte.
    Kangusta fuhr fort: »Das kleine Tier, das du gesehen hast… das dich hergeführt hat… es war nicht wirklich. Nur ein Abbild seines früheren Ichs, bevor es zum Mahlstrom geworden ist.«
    »Deshalb konnten wir durch sie hindurchgreifen!«
    »Ja.«
    »Was ist mit den anderen beiden Quappen passiert? Du hast gesagt, da waren damals noch zwei wie ich.«
    »Sie kamen eine Weile später, als der Mahlstrom auf dem Höhepunkt seiner Macht stand. Sie bekämpften ihn, um ihn aufzuhalten. Und mit ihm die Mächte aus dem Anderen Meer.«
    Jolly nickte. »Sie wurden mit ihm in der Muschel eingesperrt, hat Aina gesagt. War das auch eine Lüge?«
    »Nein. Sie haben sich geopfert, um ihn dort einzukerkern. Tapfere kleine Tiere waren sie. Lange, lange Zeit waren sie verschwunden, mit ihm in der großen Muschel gefangen. Bis sie sich wieder geöffnet hat, viel, viel später, und der Mahlstrom von neuem an Macht gewann. Da krochen auch sie ins Freie, aber sie waren nicht mehr die, die sie einst gewesen waren. Er hatte sie in all den

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